DOMRADIO.DE: Es gibt ja in Deutschland die gesetzliche Pflegeversicherung. Die übernimmt ein Teil der Kosten für die Pflege. Aber eben nur einen Teil. Heißt: Die Heimbewohner müssen einen Teil selbst zahlen, weil die Pflegekosten höher als die Leistungen der Pflegekasse sind. Würde es die Situation etwas entschärfen, wenn die Pflegekasse mehr leisten würde?
Maria Loheide (Sozialpolitischer Vorstand der Diakonie Deutschland): Überall da, wo es momentan teurer in der Pflege wird, geht es um Personal, aber auch um Sachkosten. Die schlagen sich eins zu eins auf die Eigenbeteiligung der Bewohnerinnen um. Das liegt im System der Pflegeversicherung begründet, da das Risiko von steigenden Kosten allein bei den Bewohnerinnen und Bewohnern liegt.
Wir haben einen Vorschlag gemacht für eine Reform der Pflegeversicherung, bei dem wir dieses Verhältnis gerne auf den Kopf stellen würden und tatsächlich den Bewohnerinnen und Bewohnern einen kalkulierbaren Eigenanteil ermöglichen wollen. Das Risiko der Teuerung läge dann bei der Pflegeversicherung.
DOMRADIO.DE: Jetzt liegt der durchschnittliche Eigenanteil bei fast 2.500 Euro pro Monat, aber die meisten Menschen erhalten nicht mal so viel Rente, oder?
Loheide: Genau das ist ein großes Problem. Nicht nur, dass die einzelnen Menschen weniger als 2.500 Euro Rente erhalten, sondern in einer Beziehung kann es vorkommen, dass eine der Personen in eine stationäre Pflegeeinrichtung gehen muss, und die andere Person bleibt in der Wohnung. In diesem Fall bleiben auch die Wohnungskosten erhalten und zusätzlich kommen noch die Kosten der stationären Unterbringung dazu.
Diese Menschen sind dann darauf angewiesen, dass sie Hilfe zur Pflege bekommen, Sozialhilfe also, die jeweils von der Kommune bezahlt wird. Dieser Anteil steigt stetig und wird auch in den nächsten Jahren weiter steigen.
Menschen werden also im hohen Alter, wenn sie pflegebedürftig sind und in einer stationären Einrichtung leben, Sozialhilfe empfangen müssen. Selbst wenn sie mal eine gute Rente bekommen haben oder auch gut verdient haben, bleibt das nicht aus.
DOMRADIO.DE: Müssen die Bürgerinnen und Bürger dann mehr in die Pflegeversicherung einzahlen, um die Kosten zu stemmen?
Loheide: Richtig, das hat der Bundesgesundheitsminister mit seiner "kleinen Pflegereform" vor, dass durch eine Erhöhung der Beitragssätze die Finanzierung der Pflegeversicherung aufgebessert werden soll.
Wir sind jedoch der Meinung, dass das bei Weitem nicht ausreicht. Es reicht nicht mal aus, um die inflationsbedingten Mehrkosten aufzufangen. In erster Linie brauchen wir einen Steuerzuschuss für die Pflegeversicherung. Das reicht aber nicht aus.
Die Position der Diakonie ist, dass wir weitere Einnahmequellen erschließen müssen, zum Beispiel Kapitalerträge, um Pflegeversicherungsbeiträge zu zahlen. Wir schlagen drei Maßnahmen vor: einerseits die Erhöhung der Beiträge, einen Steuerzuschuss und die Einnahmenbasis der Pflegeversicherung zu erhöhen.
DOMRADIO.DE: Wie kann die Forderung nach mehr Personal und höheren Löhnen mit den Kosten in Einklang gebracht werden?
Loheide: Von Seiten der Pflegekräfte ist es oftmals gar nicht der Wunsch, mehr Geld zu verdienen, sondern eine vernünftige Personalausstattung zu haben. Die Situation der Überlastung darf nicht mehr eintreffen. Natürlich müssen die Pflegekräfte auch vernünftig bezahlt werden. Mit der tariflichen Bindung, die wir seit einiger Zeit haben, sind vornehmlich die Privaten konfrontiert, die nachbessern mussten.
Das Problem der Bezahlung gibt es bei den konfessionellen Trägern in dem Maße nicht, weil wir relativ gut bezahlen. Wir halten es aber für dringend notwendig, dass es insgesamt zu einer personellen Entlastung kommt, damit die Pflegekräfte nicht aus ihrem Urlaub oder aus ihrer Freizeit am Wochenende geholt werden, weil zu wenig Menschen in der Pflege arbeiten.
Das Interview führte Florian Helbig.