Diakonie im domradio zur Lage in Bangladesch

"Es spitzt sich zu"

"Ich habe Dörfer gesehen, in denen keine Haus mehr steht", sagt Peter Rottach. Der Deutsche ist für die Diakonie Katastrophenhilfe in Bangladesch. Ein Wirbelsturm hatte das Land in der vergangenen Woche verwüstet. Im domradio-Interview warnt Rottach nun: "Die Lage spitzt sich zu."

 (DR)

Die genaue Zahl der Todesopfer ist bislang nicht bekannt
Die Katastrophenschutzbehörde in Dhaka bestätigte offiziell 1861 Tote bei dem schwersten Sturm in der Region seit Jahren. Medien und Hilfsorganisationen berichteten von bis zu 10 000 Toten. Viele Dörfer seien wegen blockierter Straßen und eingestürzter Brücken unzugänglich, teilten Hilfsorganisationen mit.

Hunderte Menschen wurden nach dem Zyklon vermisst. Mehr als 5000 Bewohner der am schlimmsten betroffenen Küstenregion im Süden des Landes wurden verletzt. "Es ist immer noch sehr schwierig, einen kompletten Überblick über die Lage zu bekommen, weil viele Orte von der Außenwelt abgeschnitten sind", sagte Sylvia Johnson vom Deutschen Roten Kreuz in Bangladesch. "Die genaue Zahl der Todesopfer ist bislang ebenso wenig bekannt wie das Ausmaß der Katastrophe." Die Christoffel-Blindenmission berichtete, dass "Hunderte von leblosen Körper - Frauen, Männer, Kinder - auf dem Wasser schwimmen".

"Wir verteilen vor allem Lebensmittel und Trinkwasser"
Die Diakonie Katastrophenhilfe befürchtete bis zu 3000 Tote durch "Sidr". Hunderttausende seien obdachlos, sagte Peter Rottach, der für das Hilfswerk in der Katastrophenregion ist. Mindestens 80 000 Häuser seien durch den Sturm beschädigt worden, die Hälfte davon sei komplett zerstört. Lokale Partner versorgten derzeit 60 000 Menschen in der Region.

"Wir verteilen vor allem Lebensmittel und Trinkwasser, um das Überleben zu sichern", erklärte Rottach im domradio. Betroffen seien vor allem die Ärmsten der Armen. "Sidr" habe vielen dieser Menschen zudem ihre Einkommensgrundlage genommen. Der Sturm habe Fischerboote versenkt und kurz vor der Ernte Reisfelder zerstört. Das Bangladesch- Hilfswerk Netz teilte mit, Tausende Menschen müssten im Freien übernachten, stünden vor dem Nichts und hätten keine Ernte in Aussicht.

Auch Papst Benedikt XVI. bittet um Spenden
Zahlreiche deutsche Hilfsorganisationen baten um Spenden. Auch Papst Benedikt XVI. bat die Menschen in der ganzen Welt um Spenden für die Opfer der verheerenden Überschwemmungen. "Ich erneuere mein tiefes Mitgefühl für die Familien und das gesamte Land, das mir sehr am Herzen liegt", sagte der Papst am Sonntag in Rom. Er appelliere an die Solidarität der internationalen Gemeinschaft, die die Bedürfnisse in der Krisenregion bereits erkannt und notwendige Hilfe angekurbelt habe.

Die USA entsandten zur Unterstützung der Rettungsarbeiten in Bangladesch zwei Marineschiffe; auf dem Luftweg sollten 35 Tonnen Hilfsgüter - darunter Plastikplanen, Kanister und Hygieneeinrichtungen - geliefert werden. Wie das Weiße Haus in einer in Washington veröffentlichten Erklärung mitteilte, werde außerdem ein 18-köpfiges Ärzteteam, das sich bereits vor dem Zyklon in Bangladesch aufgehalten habe, vorerst im Land bleiben, um Hilfe zu leisten. Insgesamt stellte die US-Regierung 2,1 Millionen Dollar (rund 1,4 Millionen Euro) Hilfsgelder zur Verfügung.

Der Wirbelsturm hatte in der Nacht zum Freitag mit Geschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern eine Schneise der Verwüstung geschlagen. Das Auswärtige Amt stockte seine Unterstützung für Soforthilfemaßnahmen zugunsten der Opfer auf 500 000 Euro auf. Mit dem Geld würden Projekte deutscher Hilfsorganisationen unterstützt. Das Bundesentwicklungsministerium stellt zusätzlich 200 000 Euro für die Zyklon-Opfer zur Verfügung. Damit solle das Welternährungsprogramm WFP unterstützt werden, teilte das Ministerium mit. Das WFP versorge inzwischen mehr als 400 000 Menschen, die von den Auswirkungen des Wirbelsturms betroffen sind.

Eines der ärmsten Länder der Welt
Die meisten Todesopfer gab es den Angaben zufolge im Küstenbezirk Patuakhali-Barisal. Selbst in der knapp 200 Kilometer von der Küste entfernten Hauptstadt Dhaka seien durch den Sturm elf Menschen ums Leben gekommen, teilte der Katastrophenschutz mit.

Bangladesch, das zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, wird immer wieder von katastrophalen Zyklonen heimgesucht. Im Jahr 1970 starben in der Region bei dem bislang schlimmsten Zyklon rund eine halbe Million Menschen. 1991 kamen bei einem Zyklon in Bangladesch 140 000 Menschen ums Leben.