Als in Kuba Mitte März zur Parlamentswahl gerufen wurde, schlenderte Miguel Díaz-Canel mit seiner Ehefrau zum Wahllokal in Santa Clara. Wie die anderen Wähler stellte er sich in die Schlange und wartete 20 Minuten. Die Zeit nutzte der 57-Jährige, um mit den Menschen zu plaudern. Viele Bewohner seiner Heimatprovinz Villa Clara im Zentrum des Landes bescheinigen ihm eine große Volksnähe und Heimatverbundenheit.
Nun ist Díaz-Canel für die Nachfolge von Raúl Castro als kubanischer Staatspräsident auserkoren. Das markiert das Ende der Ära der Castro-Brüder auf der kommunistisch regierten Karibikinsel - und der Generation der alten Kämpfer, die vor der Revolution von 1959 geboren wurden.
Strammer Parteikader
Díaz-Canel gilt als strammer Parteikader, der bislang selten öffentlich auftrat. Er selbst verspricht, den "sozialistischen Weg fortzuführen" und Kuba "gegen alle subversiven Kräfte" zu verteidigen. Wie weit sein Reformeifer geht, ist deshalb schwer einzuschätzen. 2013 machte ihn Raúl Castro zum ersten Vizepräsidenten des Staatsrates und damit zu seinem Stellvertreter. Seitdem war er offiziell der zweitmächtigste Mann in Kuba, der aber die Fäden im Hintergrund zog.
Die kubanische Opposition setzt keine Hoffnungen auf Díaz-Canel und eine mögliche weitere Öffnungspolitik. Als Präsident werde er alles tun, um das System so zu erhalten, wie es heute ist, möglicherweise mit noch mehr Repression, glaubt José Daniel Ferrer, Sprecher der größten Oppositionspartei Unpactu. Allerdings werde auch Díaz-Canel nicht um Reformen herumkommen, ist er sicher.
Diaz-Canels politischer Werdegang ist im sozialistischen Kuba mustergültig. Er studierte Elektrotechnik in Villa Clara und arbeitete danach als Funk-Spezialist bei den Streitkräften.
Gleichzeitig engagierte er sich politisch in der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei, wo er ab 1985 neben seiner Lehrtätigkeit an der Universität von Santa Clara hauptamtlich tätig war. 1994 stieg er zum ersten Sekretär der Partei für die Provinz Villa Clara auf - der höchsten Position auf regionaler Ebene. Bekanntheit erlangte er landesweit für sein kulturelles Engagement.
2003 ging Díaz-Canel nach Havanna und wurde mit damals 43 Jahren als jüngster Politiker in das Politbüro, das höchste Gremium der Kommunistischen Partei, gewählt. 2009 wurde er Bildungsminister, gab den Posten aber 2012 auf, um zum Vizepräsidenten des Ministerrates aufzusteigen. Ein Jahr später machte Raúl Castro ihn offiziell zu seinem Stellvertreter.
Visite beim Papst
Dass Díaz-Canel für die Staatsspitze aufgebaut werden sollte, kam überraschend. Denn er war zunächst nur durch seine Loyalität Castro gegenüber aufgefallen. Er konnte weder internationale Erfahrungen wie etwa bei den Vereinten Nationen nachweisen, noch hat er sich als Minister hervorgetan. Um ihm international mehr Bekanntheit zu verschaffen, schickte ihn Castro 2015 zu einer Visite zum Papst nach Rom. Ein Jahr später war Díaz-Canel beim historischen Kuba-Besuch von Barack Obama auf Fotos stets neben dem US-Präsidenten zu sehen.
So ganz kann Raúl Castro aber nicht von der Macht lassen. Zwar hatte er 2008 nach seiner formellen Wahl zum Staatschef angekündigt, kein weiteres Mal antreten zu wollen. Allerdings will er Vorsitzender der Kommunistischen Partei Kubas bleiben. Seine Amtszeit dauert noch bis zum nächsten Parteitag 2021. Castro wäre dann 90 Jahre alt.