Die IS-Bombenbastler von Baschika

Vermächtnis einer Terrormiliz

Baschika bei Mossul im Irak zeigt, was aus einem Ort wird, in dem die Terrormiliz IS gewütet hat - explosive Hinterlassenschaften inklusive. Zu Gast in einer zerstörten Geisterstadt, die noch einen ganz anderen Konflikt in sich trägt.

Autor/in:
Benno Schwinghammer
Zerstörte Kirche im irakischen Baschika / © Benno Schwinghammer (dpa)
Zerstörte Kirche im irakischen Baschika / © Benno Schwinghammer ( dpa )

Auf dem Boden in der dreckigen Küche, zwischen verdorbenem Käse und benutzen Teegläsern, steht die wohl letzte Mahlzeit der IS-Bombenbastler von Baschika. Eine Kanne und zwei Töpfe, einer leer, im anderen ein verschimmelter Eintopf. Kelle und Löffel liegen unbenutzt daneben. Die Köche, Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat, sind wohl tot. Hinterlassen haben sie versteckte Sprengsätze, die überall in der nordirakischen Geisterstadt darauf lauern, zu töten.

Nur wenige Meter weiter, im Flur, liegt ein Haufen Erde. Darauf - überkopf und voller Staub - ein Hase aus Plüsch. Die Erde türmt sich überall in dem einst von Christen bewohnten Haus. Denn die Dschihadisten mischten im dunklen Badezimmer zwischen Eimern und Apparaten nicht nur die Chemikalien für Bomben. Sie gruben während ihrer Herrschaft über Baschika seit 2014 auch einige Tunnel.

Überall lauern Sprengfallen

Neben der Eingangstür geht es senkrecht nach unten. Das Loch im Boden ist fast so groß wie ein Ehebett. Wo der Tunnel hinführt? Weiß niemand. Die Sprengfallen lauern überall. Auch die Mauern zu den Nachbarn sind durchbrochen. Die Kämpfer der Terrormiliz sollten in einem Haus verschwinden und durch Tunnel und Gänge an ganz anderen Orten wieder auftauchen können. Unberechenbar sollten sie so werden.

Doch wer waren sie, die Dschihadisten, die hier lebten? In einem Schrank im früheren Wohnzimmer liegt ein unscheinbares Buch. Darin stehen - geschrieben mit Tinte - einige Kampfnamen, die sich IS-Mitglieder aufgrund ihrer Herkunft geben: Unter anderem Abu Laila al-Iraki, Abu Osam al-Bagdadi oder Abu Dscharah al-Tunisi. Hinweise darauf, dass hier neben Irakern auch Tunesier gehaust haben.

Sie beschmierten die Wände mit Filzstift: "Entweder der Sieg oder sterben mit Gottes Willen" steht dort geschrieben. In einer Schublade findet sich ein Papier. "Erlaubniskarte" steht drauf, und daneben "Islamischer Staat". Ein Kämpfer reichte damit einen dreitägigen Urlaub ein. Ein Stempel zeigt an: Der Bitte wurde stattgegeben. Bürokratie à la IS.

Geisterstadt

Seit November ist diese Herrschaft vorbei. Mit der zurzeit laufenden Offensive der irakischen Armee und seiner Verbündeten auf die IS-Hochburg Mossul wurde auch das nahe Baschika von kurdischen Kämpfern eingekreist und schließlich erobert. Wohl mehr als 100 IS-Kämpfer wurden getötet. Sie hatten über eine leere Stadt geherrscht. Die Bewohner, vor allem Jesiden und Kurden, waren geflohen, kurz bevor die Extremisten die Stadt überrannten. Nun ist sie zerstört.

Ismael Abdel Rahman lebte in Baschika und ist nun als Besucher wiedergekommen. Er will seiner Familie zeigen, was von ihrem Haus und dem Gewürzladen übrig geblieben ist. Niedergeschlagen steht er vor den verbogenen Türen. Es riecht immer noch nach Kurkuma und Curry, aber der Verkaufsraum ist durchwühlt und chaotisch.

"Es war zu viel Schmerz, als ich kam und den Laden so gesehen habe", sagt der Mann, der einst Vorbeter in der örtlichen Moschee war. Wertvolle handschriftliche Religionsbücher, mehrere Hundert Jahre alt, seien gestohlen worden.

Absolute Stille

Die Straße ist mit Ausnahme seines Autos leer. Genau wie jeder Platz, jedes Haus und auch die Kirche des Ortes, deren Scheiben eingeschmissen sind, das Innere verwahrlost. Es herrscht absolute Stille, die nur zeitweise durch das Grollen des Himmels unterbrochen wird: Kampfjets, die Bomben auf das nahe Mossul werfen, in dem der IS noch immer einen Großteil des Stadtgebietes kontrolliert.

Kämpfe, die auch Baschika zu großen Teilen verwüstet haben. 30 bis 40 Prozent der Häuser seien zerstört, erzählt General Bahram Jasin von den kurdischen Peschmerga, die ihr Lager am Stadtrand aufgebaut haben. Und Gefahr bestehe weiterhin: "Wir haben eine Karte gefunden, die die Sprengfallen des IS zeigt. Auf dieser einzigen Karte sind 2010 Sprengsätze eingezeichnet." Die Räumung wird Monate dauern. Aber ob die ehemaligen Bewohner dann zurückzukehren wollen, ist fraglich.

Die Regierung der kurdischen Autonomiegebiete möchte die Stadt wieder so lebhaft machen, wie sie einmal war. Die Kurden, die nach Unabhängigkeit streben, sehen die Offensive auf Mossul auch als Chance, Fakten zu schaffen und ihr Einflussgebiet auszuweiten. Baschika gehört nicht zum Autonomiegebiet, wird aber von den Kurden für sich beansprucht.

Nächster Konflikt droht

Auf den Streit zwischen Bagdad und der Regionalregierung in Erbil angesprochen, weicht Jasin aus. Doch er sagt auch: "Wir in Kurdistan haben alle Komponenten eines Staates". Noch während des Krieges gegen den IS, so scheint es, zieht schon der nächste Konflikt im Irak auf.

Gewürzhändler Ismael Abdel Rahman glaubt fest daran, dass er eines Tages wieder hier leben wird, zusammen mit seinen Nachbarn. Er gestikuliert wild in Richtung der Nachbarshäuser. Hier habe ein Jeside gewohnt, dort ein Christ. "Vorher haben wir uns mit Handschlag gegrüßt. Wenn wir uns jetzt wiedersehen, werden wir uns küssen", sagt er.

Der Mann steigt in sein Auto und fährt die leere Straße hinunter. Die zerbeulten Türen seines Ladens bleiben offen stehen.


Geisterstadt Baschika / © Benno Schwinghammer (dpa)
Geisterstadt Baschika / © Benno Schwinghammer ( dpa )

Eingang zu einem IS-Tunnelsystem / © Benno Schwinghammer (dpa)
Eingang zu einem IS-Tunnelsystem / © Benno Schwinghammer ( dpa )

Botschaft "Entweder der Sieg oder sterben mit Gottes Willen" an einer Hauswand / © Benno Schwinghammer (dpa)
Botschaft "Entweder der Sieg oder sterben mit Gottes Willen" an einer Hauswand / © Benno Schwinghammer ( dpa )
Quelle:
dpa