Die Delegierten in Denver feiern ihren Hoffnungsträger

Obama zum Kandidaten gekürt

Am Donnerstagabend war es endlich so weit. Nach vier Tagen mit Vorträgen und Sitzungen stand der große Höhepunkt des demokratischen Wahlparteitages an: Die Rede von Barack Obama, in der er die Nominierung zum Präsidentschafts-Kandidaten annahm. Und Obama erfüllte die hohen Erwartungen.

Autor/in:
Sebastian Moll
 (DR)

Die Spannung vor dem Auftritt Obamas war riesengroß, steht in den USA doch immerhin eine politische Weichenstellung an. Entsprechend grandios war der Rahmen. 80 000 Menschen drängelten sich in das Mile High-Stadion von Denver und noch einmal so viele standen in der Hoffnung, Einlass zu finden, vor der Arena Schlange. Es herrschte Rock-Festival-Stimmung.

Obama erfüllte die hohen Erwartungen. Nach 50 Minuten meisterhafter Rhetorik war man sich einig, dass Obama nicht mehr hätte tun können, um die Wähler von sich zu überzeugen. "Das war die beste politische Rede seit John F. Kennedy" schwärmte Carl Bernstein, der legendäre Reporter, der seinerzeit die Watergate Affäre aufgedeckt hatte. "Das hat Obama der Präsidentschaft um Riesenschritte näher gebracht."

Obama begegnete in seinen Ausführungen zunächst gezielt einer der am häufigsten an ihm geäußerten Kritik, wonach seine Botschaft des "Wandels" zu vage sei. "Ich werde ihnen genau sagen, was Wandel bedeutet", hob Obama an und zählte präzise politische Ziele auf:

"Ich werde diesen Krieg auf eine verantwortungsvolle Art beenden"
Eine Steuerreform, in der 95 Prozent der amerikanischen Familien entlastet und die schmale Elite der Reichen dafür belastet werden soll; die Unabhängigkeit von Öl aus dem Nahen Osten innerhalb von 10 Jahren, unter anderem durch eine Investition von 10 Milliarden Dollar in neue Energien; eine Reform des Bildungs- sowie des Gesundheitswesens, sowie das Ende des Irak-Krieges: "Man kann ein Terrornetzwerk, das in 80 Ländern operiert, nicht durch die Invasion von Irak bekämpfen", wetterte ein auffallend kämpferischer Obama und fügte hinzu: "Ich werde diesen Krieg auf eine verantwortungsvolle Art beenden."

Obamas aggressiver Ton setzte sich in einem frontalen Angriff gegen McCain fort. In einer Direktheit, wie man sie in diesem Wahlkampf noch nicht gehört hat, stellte Obama McCain als unfähig dar, Amerika in die Zukunft zu führen. "Die Bilanz ist klar: John McCain hat in 90 Prozent der Fälle für die Vorlagen von George Bush gestimmt. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich würde nicht nur zu 10 Prozent auf den Wandel setzen."

Am schärfsten ging Obama McCain an, als es um das Thema der sozialen Gerechtigkeit ging: "Ich glaube nicht einmal, dass es McCain nicht interessiert, was im Leben von durchschnittlichen Amerikanern passiert. Er hat nur einfach keine Ahnung. Sonst würde er wohl kaum die Mittelschicht mit einem Einkommen unter fünf Millionen Dollar im Jahr definieren."

McCain: Sie haben eine fundamental irreführende Rede gehört
John McCain selbst hatte an diesem Abend, der zugleich das 45. Jubiläum der berühmten "I have a Dream"-Rede des Bürgerrechtlers Martin Luther King markierte, ursprünglich die Taktik der Waffenruhe gewählt. In einem Werbespot, der während der TV-Übertragung aus Denver lief, sagte er: "Morgen wird es wieder ernst. Aber an diesem historischen Tag gratuliere ich Ihnen, Herr Senator, einfach nur zu ihrer guten Arbeit." Nach Obamas Attacken sah sich McCain dann aber doch zu einer Reaktion bemüßigt: "Sie haben eine fundamental irreführende Rede gehört", ließ er kurz nach Ende von Obamas Ansprache verlautbaren. "Die Tatsache bleibt bestehen, dass Obama nicht dazu bereit ist, Präsident der USA zu werden."

Hillary Clinton hingegen lobte Obamas Auftritt in den höchsten Tönen: "Seine Rede hat die Wahl verdeutlicht, vor der wir stehen: Weitere vier Jahre einer längst gescheiterten Politik oder ein Anführer, der die großen Herausforderungen anpackt, vor denen wir stehen. Ich bin stolz darauf, Senator Obama, den nächsten Präsidenten der USA, zu unterstützen."

Es war eine weitere klare Bekundung des Vertrauens der Clintons für Obama, nachdem sich sowohl Hillary als auch der ehemalige Präsident Bill Clinton in den vergangenen Tagen nachdrücklich hinter den gewählten Spitzenkandidaten ihrer Partei gestellt hatten. Vor dem Konvent war befürchtet worden, dass der lange Wahlkampf zwischen Clinton und Obama die Partei dauerhaft gespalten hat.

Ob der Wahlparteitag Obama nun einen deutlichen Vorteil vor McCain verschafft hat, müssen erst die Umfragen der nächsten Tage zeigen. Vor Denver lagen die beiden Kandidaten Kopf an Kopf. Nach Einschätzung politischer Beobachter hat Obama die konkurrierenden Republikaner vor ihrem Parteitag in der kommenden Woche zumindest in Zugzwang gebracht. "Die Republikaner müssen die Herausforderung annehmen, die Obama an sie gestellt hat", sagte Carl Bernstein. "Obama hat die Debatte um Amerikas Zukunft völlig neu umrissen."