Am 14. November reisen die deutschen Bischöfe zum sogenannten Ad-limina-Besuch nach Rom. Aber schon seit Wochen geben sie sich im Vatikan beinahe die Klinke in die Hand. Acht von ihnen waren seit dem Sommer dort, darunter die beiden Kardinäle Reinhard Marx und Rainer Maria Woelki, und natürlich der Konferenzvorsitzende Georg Bätzing mit seinem Vize Franz-Josef Bode. Am Samstag wurde zuletzt der Münsteraner Bischof Felix Genn vom Papst empfangen. Mitte Oktober weilte der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer einige Tage in Rom. Er gilt als gut vernetzt im Zentrum der Weltkirche.
Wie sein Bistum anschließend berichtete, ging es bei dem ausführlichen Gespräch mit Papst Franziskus am 17. Oktober auch um das wichtigste aller "deutschen Themen": den als Folge des Missbrauchsskandals gestarteten Synodalen Weg, auf dem Bischöfe, Laienverbände sowie Priester und Ordensleute seit drei Jahren gemeinsam über Kirchenreformen debattieren und Veränderungswünsche formulieren.
Reformvorschläge kommen ins persönliche Gespräch
Viele dieser Vorschläge - vom freiwilligen Zölibat bis zur Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche - können nur mit Zustimmung des Papstes umgesetzt werden. Und so wird die kommende gemeinsame Reise der Bischöfe nach Rom zu einer Nagelprobe dafür, was passiert, wenn deutsche Reformvorschläge nicht nur als anonyme Texte, sondern im persönlichen Gespräch auf "die Römer" treffen.
Manche Beschlüsse der Frankfurter Synodalversammlungen wurden in Rom bereits aufmerksam gelesen. Viele Texte stehen, zumindest in der vorläufigen Fassung, auch in Englisch, Italienisch und Spanisch im Internet. Aus den Gesprächen, die deutsche Bischöfe in den vergangenen Monaten in Rom führten, ist nicht viel durchgesickert. Doch eine Grundstimmung scheint es in den Begegnungen gegeben zu haben, und die war offenbar in mehreren Vatikanbehörden geprägt von Misstrauen und Unverständnis.
Selbst bei Reformbeschlüssen, die aus Sicht der deutschen Synodalen relativ einfach in Deutschland umgesetzt werden könnten, schrillen in Rom die Alarmglocken. So wird etwa im vatikanischen Staatssekretariat der deutsche Synodal-Beschluss, wonach die Laien stärker an der Bischofswahl beteiligt werden sollen, als Gefahr für die bestehenden Konkordate angesehen.
Zusammenarbeit zwischen Laien und Bischöfen?
Mit noch größerer Sorge betrachtet der Vatikan den deutschen Beschluss zur Schaffung eines Synodalen Ausschusses, in dem katholische Laien und Bischöfe künftig gemeinsam über Themen entscheiden sollen, welche die Kirche in Deutschland betreffen. Nicht nur Kirchenjuristen in der Kurie fürchten, dass damit eine "rote Linie" überschritten werde. Denn bislang sind nach dem Kirchenrecht allein die Bischöfe als Nachfolger der Apostel (in Gemeinschaft mit dem Papst) die Souveräne und Gesetzgeber.
Lediglich in einem Amt der frisch reformierten weltkirchlichen Zentralverwaltung steht man dieser Öffnung wohlwollend gegenüber. Es ist das Synodensekretariat unter Kardinal Mario Grech. Der aus Malta stammende Kirchenmann arbeitet derzeit am Fahrplan und an den thematischen Vorgaben für die bis Oktober 2024 dauernde Weltsynode. Und auch er spricht oft davon, dass das Volk Gottes (also in der Mehrheit die Laien) das eigentliche Subjekt des synodalen Prozesses sei.
Doch damit steht Grech, dessen Sekretariat kirchenrechtlich nicht zur Kurie gehört, ziemlich alleine. In anderen römischen Behörden schlägt den deutschen Reformideen mitunter schieres Unverständnis entgegen. Andere, wohlwollendere Gesprächspartner deuten an, man verstehe ja, worum es etwa denen gehe, die eine Segnung homosexueller Paare wollten. Aber sie sollten das bitte einfach in der Seelsorge praktizieren - und nicht gleich schwarz auf weiß die gesamte katholische Morallehre ändern.
Aufeinanderprallen der Denkweisen
Die Fixierung "der Deutschen" auf widerspruchsfreie theologische und kirchenrechtliche Texte quittieren wichtige Entscheidungsträger in Rom mit Kopfschütteln. Die Idee, man könne die Kirche mit Texten, Statuten und Vorschriften erneuern, erscheint ihnen von vorneherein abwegig.
Wenn nun die gesamte Bischofskonferenz in der Woche vom 14. bis 20. November in Rom ist, werden diese unterschiedlichen Denkweisen und Kirchenbilder aufeinanderprallen. Das wird bei den Besuchen der einzelnen Bischöfe in den vatikanischen Behörden zu spüren sein, vor allem aber bei dem sogenannten interdikasteriellen Treffen, das gegen Ende des Besuchs auf dem Programm stehen soll.
Dann werden die Chefs der wichtigsten Kurienbehörden und die deutschen Bischöfe unter dem Vorsitz des Papstes über den Synodalen Weg sprechen. Ob es dabei zu einer echten Debatte oder bloß zu einem Verlesen von Vorträgen und Statements kommen wird, ist offen. Für die weitere Entwicklung des Synodalen Wegs in Deutschland könnte dieses Treffen vorentscheidend sein, falls dort deutlich wird, wie viel Spielraum der Papst und die Kurie dem deutschen Reformprojekt künftig lassen wollen.
Ein eigentlich "normaler" Besuch
Angesichts der öffentlichen Aufmerksamkeit für die Debatten um den Synodalen Weg tritt der eigentliche Anlass der Romreise der Bischöfe im Vorfeld in den Hintergrund. Doch laut Protokoll handelt es sich um einen "Ad-limina-Besuch", wie er alle fünf bis sieben Jahre von jeder Bischofskonferenz erwartet wird. "An den Schwellen" (lateinisch ad limina) der Apostelgräber sollen die Bischöfe beten, sich sammeln und dann dem Papst und seinen Helfern in der Kurie berichten, wie es um die Kirche und den Glauben in ihrem Land steht.
Zum Programm gehören auch feierliche gemeinsame Gottesdienste in den wichtigsten Kirchen Roms. Den ersten davon wird am Grab des Apostels Petrus der Vorsitzende Bätzing feiern.