DOMRADIO.DE: Sie kommen aus Osteuropa - zum Beispiel aus Rumänien oder Bulgarien. Es sind Menschen, die Hilfe brauchen, wenn sie in Deutschland ankommen. Diese Hilfe finden sie zum Beispiel in dem Beratungsangebot "Alveni" für Osteuropäer in Köln. Jetzt soll das Projekt auslaufen, da es kein Geld mehr für diese Arbeit gibt. Was genau heißt das für Sie, wenn kein Geld mehr für dieses Projekt da ist?
Tim Westerholt (Caritas Köln): Ganz konkret heißt das erst mal, dass bei uns zum Beispiel Personal fehlt, um diese Menschen zu beraten. Es bedeutet sehr viel Stress für andere Angebote, da Dinge aufgefangen werden müssen, die dann so nicht mehr funktionieren.
Noch dramatischer daran ist allerdings, dass es kein vergleichbares Angebot gibt. Deswegen ist es ein Irrglaube zu denken, dass es dann die anderen machen. Die Menschen sind aber nach wie vor da. Es sind bettelnde Menschen, die ganz neu in Köln angekommen sind, Kinder und Familien ohne Anschluss ans Schulsystem, ohne Anspruch auf Sozialleistungen. Für die gibt es kein vergleichbares Angebot. Die fallen ins Leere und stehen trotzdem bei uns vor der Tür. Das löst natürlich erst mal ein Ohnmachtsgefühl aus.
DOMRADIO.DE: Es sind Menschen, die auch oft in Sammelunterkünften landen oder auch in überfüllten Privatwohnungen. Sie sind oft perspektivlos. Corona ist auch ein großes Thema. Was bedeutet all das auch in Zeiten steigender Inzidenzzahlen?
Westerholt: Es fehlt ein ganz zentraler Zugang zu diesen Personengruppen. Wir haben dieses Projekt zum Beispiel am Kölnberg in der Hochhaussiedlung, die relativ bekannt im Stadtgebiet und darüber hinaus ist, durchgeführt. Es fehlen ganz konkret vor Ort zwei Beratungskräfte, die Rumänisch, Bulgarisch, Türkisch und Ungarisch anbieten können und dort seit Jahren gewachsene auch familienbezogen nahe Kontakte haben.
Die sind aber gerade ganz wichtig insbesondere bei der Ansprache hinsichtlich Abstandsregelungen, Testungen und dann hoffentlich auch bald dem Thema Impfen.
DOMRADIO.DE: Sie sagen, es besteht keine Hoffnung, dass man diese Menschen mit anderen Projekten wieder erreichen kann. Wieso wurden denn die Hilfsgelder gestoppt? Wo kamen sie her?
Westerholt: Das ist immer dieses Durcheinander aus Förderbedingungen. Wir haben hier an einer Stelle auf europäische Gelder vertraut, die dann gestoppt worden sind. Das war auch klar, dass da der gesamtdeutsche Topf kleiner werden wird. Es hat tatsächlich ärgerlicherweise dieses Mal Köln getroffen. Es ist gar nicht nur die Caritas, sondern es sind insgesamt acht Träger gewesen, die in fünf Bezirken dieses Riesenprojekt durchgeführt haben.
Da kann man auch sehen, wie die Dimension dessen ist, was da gerade knallt. Sie können sich auch vorstellen, dass es in Corona-Zeiten mit einer Kommune sehr schwierig ist, über Haushalts-Angelegenheiten zu verhandeln. Da gibt es sicher wenig Spielraum. Gleichzeitig ist die Dringlichkeit da, insbesondere wieder durch Corona-Aspekte. Das ist die Situation, mit der wir irgendwie umgehen müssen.
DOMRADIO.DE: Wie ist Ihre Perspektive dabei? Wie wird es weitergehen?
Westerholt: Es ist schon so, dass durch die Wahrnehmung, dass in bestimmten Sozialraum-Gebieten der Stadtgesellschaft die Inzidenz sehr hoch ist, sich zumindest in diesem Kontext etwas tut. Die Stadt ist dabei, einen Aktionsplan auf die Beine zu stellen, in dem es auch um Unterfütterung durch bestimmte ansprechende, aufsuchende und beraterische Kontakte geht. Das ist wichtig, das muss gestärkt werden.
Ich stehe da absolut hinter, beziehungsweise wünsche mir, dass auch von der Stadtgesellschaft eine kommunale Unterstützungsleistung kommt. An dieser Stelle sind wir aber noch nicht.
Das Interview führte Verena Tröster.