KNA: Herr Albert, die Idee für ein Osteuropahilfswerk stammt vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Wie schwer war es, ein solches mit den Bischöfen dann ins Leben zu rufen?
Albert: Daran hatte auch Papst Johannes Paul II. seinen Anteil. Angesichts der politischen Veränderungen 1989/90 erinnerte er in seiner Enzyklika "Centesimus annus" (1991) daran, dass für einige Länder Europas jetzt erst die Nachkriegszeit beginne. Ihnen müssten die anderen helfen, zum allgemeinen Wohl Europas. Die operative Antwort in Deutschland fehlte noch. Es bedurfte eines Anstoßes des Zentralkomitees mit seinem Generalsekretär Friedrich Kronenberg und am Ende entstand Renovabis.
KNA: Wie kam es zu dem Namen?
Albert: Im Dezember 1992 berichteten die Bischöfe dem Papst von den Hilfswerkplänen. Da soll der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann, schon von Renovabis gesprochen haben. Bei Johannes Paul II. traf er damit einen Nerv. Denn dieser hatte bei seiner ersten Polenreise die Rede in Warschau mit dem Psalm "Du wirst das Angesicht der Erde erneuern", aus dem das lateinische Wort stammt, beendet. Wer genau die Idee hatte, lässt sich nicht sagen. Es gibt aber die Anekdote, dass der für das Hilfswerk zuständige Trierer Weihbischof Leo Schwarz zeitweilig das Brevier auf Lateinisch gebetet habe, um einen schönen Namen zu finden.
KNA: Warum siedelte sich das Hilfswerk in Freising an?
Albert: Dafür sorgte der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter. Er erinnerte an die frühen Beziehungen Freisings zu Slowenien, speziell an die Freisinger Denkmäler. Dabei handelt es sich um Schriftstücke aus dem späten zehnten Jahrhundert, die pastorale Vorlagen in alter slawischer Sprache für die Beichte liefern.
KNA: Beim ersten Partnerschaftstreffen 1993 plädierte der tschechische Theologe Tomas Halik für eine "pastorale Vision", die mit "etwas slawischer Spontanität" angegangen werden sollte...
Albert: Die östliche Welt hat ihre eigene Mentalität. Die Deutschen mussten sich darauf einstellen entgegen aller negativen Klischees. Hier sind sich Welten wiederbegegnet, die eine glückliche, in Phasen aber auch eine schwer belastete Vergangenheit hinter sich hatten. Das Zusammenkommen ist bis heute gefährdet durch Verständigungsschwierigkeiten und verschiedene Sichtweisen. Das gilt für die Politik, aber auch für die Kirche.
KNA: Inwieweit sind Sie, Pfarrer Hartl, mit dieser Spontanität konfrontiert?
Hartl: Mir war seit meinem Amtsantritt vor über einem Jahr wichtig, in die Länder zu reisen und einen persönlichen Einblick zu bekommen. Vor allem geht es um einen "Austausch der Gaben". So habe ich etwa aus der Ukraine viele pastorale Anregungen aus der griechisch-katholischen Kirche mitgebracht. In Osteuropa musste die Kirche lange im Untergrund leben, so dass der gelebte Glaube im Vordergrund stand. Diese Dimension ist bis heute spürbar.
KNA: "Nicht in Steine, sondern in Menschen wollen wir investieren" war die Losung des ersten Geschäftsführers Eugen Hillengass. Wo war Hilfe besonders notwendig?
Albert: Das war auch für uns ein Lernprozess, wobei es stets darum ging, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Und wenn Bauten entstanden, dann sollten sie den Menschen dienen. In den 25 Jahren wurden 715 Millionen Euro für fast 23.000 Projekte bewilligt. Davon flossen 102 Millionen in reine Bauprojekte, zu denen auch die Wiederherstellung zurückgegebener Gebäude gehörte.
Hartl: Renovabis arbeitet professionell und differenziert. Der Grundsatz, dass alles Organisatorische dem einzelnen Menschen zu dienen hat, gilt nach wie vor. Deshalb sind mir auch die persönlichen Kontakte zu den Partnern so wichtig.
KNA: Ist es schwierig, deutsche Katholiken für Osteuropa zu begeistern?
Hartl: Die große Euphorie nach der Wende hat sich verflüchtigt. Hinzu kommt, dass die vielen Fusionen in den Pfarrgemeinden das weltkirchliche Thema oft hinten runterrutschen lassen. Osteuropa war zudem über Jahrzehnte ein verschlossener Bereich. Dennoch gibt es viele engagierte Personen und Gruppen. Diesen Partnerschaftsgedanken gilt es zu forcieren. Ich will vor allem die jüngere Generation noch mehr ins Boot holen.
KNA: Welche Rolle spielen die zunehmend europakritischen Töne aus den östlichen Ländern für die Arbeit von Renovabis?
Hartl: Mit unserer Arbeit können wir Vermittler sein. Durch die langjährige Unterstützung ist ein Grundvertrauen da, dass wir helfen wollen und Verständnis haben. Wichtig ist zuzuhören und nachzufragen. Eine andere Sichtweise kann erhellend sein. Oft heißt es, wir seien einseitig über den Osten informiert. Immer wieder wird die Wertefrage angesprochen. Die Menschen im Osten haben zum Beispiel das Gefühl, das westliche Europa habe in Bezug auf die Familie andere Werte.
Ihnen aber würden diese aufgezwungen und so etwas wie der Zusammenhalt der Generationen oder die Unauflöslichkeit der Ehe bleibe auf der Strecke.
KNA: "miteinander. versöhnt. leben - Gemeinsam für ein solidarisches Europa" lautet das Leitwort für das Jubiläumsjahr. Was haben Sie sich für die nächsten 25 Jahre vorgenommen?
Hartl: Für uns ist das Jubiläum ein Grund zur internen Reflexion. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass wir in Bezug auf die 29 Partnerländer noch stärker differenzieren müssen. In Gegenden wie Sibirien, wo die Kirche in der Diaspora lebt, müssen nach wie vor Grundbedürfnisse erfüllt werden. So hat Bischof Werth dieser Tage um die Finanzierung einer Wohnung gebeten, um für gut 40 Gläubige einen Treffpunkt zu haben. In anderen Ländern wie Polen, Tschechien, Slowakei und Kroatien hat sich die Situation so gebessert, dass sie selbst zu Brückenstaaten für Hilfe geworden sind. Und dann gibt es Länder wie die Ukraine, wo Rückschläge hinzunehmen sind.
Albert: Zudem muss man sich die Fähigkeit erhalten, kurzfristig reagieren zu können. Dafür müssen unsere materiellen Grundlagen erhalten bleiben. Einen Rückgang gibt es bei den Kollekten. Doch mit den Direktspenden konnte dieser ausgeglichen werden. Die Länder in Mittel- und Osteuropa sind unsere Nachbarländer. Um Wohlstand und Frieden zu erhalten, müssen Nachbarn zumindest vernünftig miteinander auskommen.
Hartl: Mir ist der Begriff der Freundschaft wichtig. Wenn mir jemand zum Freund geworden ist, heißt das nicht, dass ich alle seine Standpunkte teilen muss. Aber eine Grundsympathie ist da. Ich würde mir wünschen, dass wir das Anderssein des Anderen akzeptieren können und dies nicht die Rücknahme der Sympathie bedeutet.