Warum studieren junge Menschen noch Theologie?

"Die großen Fragen"

Die Kirche steckt in der Krise. Das Erzbistum Köln steht unter Beobachtung, die Zahl der Kirchenaustritte ist in den letzten Monaten rapide angestiegen. Trotzdem gibt es Anreize für junge Menschen, sich für ein Theologiestudium zu entscheiden.

Symbolbild Studierende der Theologie in einem Hörsaal / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani (KNA)
Symbolbild Studierende der Theologie in einem Hörsaal / © Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani ( KNA )

DOMRADIO.DE: Haben junge Leute noch Lust, Theologie zu studieren?

Prof. Dr. Dr. Jochen Sautermeister (Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn): Auf der einen Seite spielt sicherlich immer auch das Umfeld eine Rolle bei der Frage: Will ich Theologie studieren? Will ich nicht Theologie studieren? Aber es gibt auch noch viel Interesse, weil die Fragen der Theologie einfach ein ganz weites Feld abdecken.

Es geht um die großen Fragen von Sinn, von Leben, die Frage nach dem "was macht mein Leben aus", was bedeutet Verantwortung, was bedeutet Gerechtigkeit, welche Rolle spielt der christliche Glaube - und da eben aus dem Glauben heraus darüber nachzudenken. Diese Themen sind etwas, was viele Menschen, auch noch junge Menschen, beschäftigt. Insofern ist das Interesse an dem Studium immer noch ganz groß, auch wenn sicherlich nicht alle Studierenden automatisch dann in der Kirche tätig sein wollen oder zum Beispiel in der Schule Religion unterrichten wollen.

DOMRADIO.DE: Was kann denn das Studienfach für junge Menschen bieten oder attraktiv machen?

Sautermeister: Das Attraktive am Theologiestudium ist, dass man sich mit ganz verschiedenen Fächern, Methoden und Disziplinen beschäftigt. Es gibt kein anderes Studium, wo man historische Fächer studiert, biblische Fächer, exegetische Fächer, also Textwissenschaften, wo man sich mit philosophischen und ethischen Fragestellungen beschäftigt.

Oder eben auch mit ganz praktischen Fragestellungen des Zusammenlebens, wo auch Sozialwissenschaften eine Rolle spielen. Und da werden die großen, übergeordneten Fragen thematisiert, die Fragen nach Gott, nach Sinn, nach Ethik, aber auch Menschenwürde, Verantwortung oder Nachhaltigkeit. Und das macht es so faszinierend.

DOMRADIO.DE: Sie haben gerade schon angesprochen, man kann eben nicht nur bei der klassischen Gemeindearbeit nachher bleiben oder als Religionslehrer in die Schule gehen. Welche Berufschancen haben die Studierenden, wenn sie fertig sind?

Sautermeister: Theologinnen und Theologen sind auch in ganz anderen Feldern in der Gesellschaft tätig. Ein großer Bereich ist zum Beispiel der Bildungssektor oder im Kulturbereich, aber auch zum Bereich Kommunikation und Medien, in der Personalentwicklung, Wirtschaft oder Coaching und Beratung. Da ist es oft hilfreich, wenn man dann zum Beispiel noch ein Zusatzpraktikum hat oder eine weitere Ergänzungsqualifikation.

In den Bereichen sind Theologinnen und Theologen auch gefragt. Und ich glaube es wird auch zunehmend wichtiger, damit die Fragestellung und das Verständnis für Glaube, Theologie und Kirche auch in den Bereichen präsent ist.

DOMRADIO.DE: Seit Jahren sinken die Zahlen der Priesterweihen. Die Kirche ist für viele Menschen nicht mehr attraktiv, aber ihre Fakultät wird ausgebaut, zum Beispiel mit gleich drei neuen Professuren. Wie passt das zusammen?

Sautermeister: Was wir wissen, auch wenn die Zahlen an Studierenden erstmal sinken, so sind wir doch zuversichtlich, dass die Zahlen auch wieder steigen werden. Theologie ist in dem Umfeld der Exzellenzuniversität Bonn als erfolgreichste Exzellenzuniversität ein ganz wichtiger Player. Weil die Grundfragen, die auch die Theologie adressiert, in allen verschiedenen Bereichen eine Rolle spielen.

Und in dem Sinne haben wir als Fakultät auch mit einer neuen Professur für Sozialethik, mit einer Professur für Sozialphilosophie und eben einer Exzellenzprofessur für systematische Fragen uns ganz bewusst dahin weiterentwickelt, dass die Theologie in der Universität, Gesellschaft und im Diskurs noch mehr Expertise einbringen kann.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Moraltheologe Prof. Jochen Sautermeister / © Tomasetti (DR)
Moraltheologe Prof. Jochen Sautermeister / © Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR
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