"Wenn ein Fundament Risse bekommt, kann man das Haus nicht mit Reparaturen an der Fassade retten, sondern muss die Grundfesten erneuern", schreibt Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) in der "Zeit" (Donnerstag). Sie appellierte an die deutschen Bischöfe: "Gehen Sie an die Ursachen für die bröckelnden Bindungen!" Auch der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) forderte in der Zeitung "notwendige Kirchenreformen".
Grütters verwies auf schwindende Bindungen an die Kirche. "Und nun auch noch das Ausmaß des Missbrauchs durch katholische Geistliche: Wenn nicht diese Erschütterung als fundamentale Krise begriffen wird - was dann?"
Laut Grütters würden Frauen in Weiheämtern "nicht nur das Gemeindeleben stabilisieren, sondern mit mehr Frauen in dieser männerbetonten Kirche wären so viele Missbrauchsfälle wohl nicht möglich gewesen". Wenn die Ehelosigkeit von Priestern nicht mehr Pflicht wäre, wäre das "für viele Menschen, Kleriker wie Laien, eine so große Erleichterung", so die Christdemokratin.
Kirche "keine Partei mit einer Einheitsmeinung"
Nach den Worten von Thierse ist die Deutsche Bischofskonferenz "beim Thema Missbrauch zerstritten - und weniger mutig, als der Papst es erlaubt". Die Kirche sei "keine Partei mit einer Einheitsmeinung". Er frage sich aber, wo "die unmittelbaren Konsequenzen des vielfachen sexuellen Missbrauchs und seiner Vertuschung" blieben.
Er wünsche sich, dass die Bischofskonferenz hier vorangehe: "Schluss mit Vertuschungen, personelle Konsequenzen, Übergabe von Missbrauchsfällen an die staatliche Justiz, echte Gewaltenteilung auch in der Kirche, also unabhängige Gerichtsbarkeit".
Viele deutsche Bischöfe sähen "offenbar die Dringlichkeit der Missbrauchsaufklärung und der daraus folgenden notwendigen Kirchenreformen noch immer nicht ein", kritisierte Thierse. Beides gehe zu langsam voran. "Denn eine unaufrichtige und undeutliche Linie der Bischöfe wird weder das Kirchenvolk noch die Öffentlichkeit überzeugen." Die Kirchen müssten zeigen, wie man mit solchen Verbrechen "konsequenzenreich" umgehe. Sie müssten der Gesellschaft ein positives Beispiel geben.
Petition zur Unterstützung des offenen Briefes
Die Gruppe "Wir sind Kirche" startete eine Petition zur Unterstützung des offenen Briefes. Angesichts des weltweiten Bischofstreffens im Vatikan zum Missbrauchsskandal in der Kirche Ende Februar brauche Marx eine "möglichst breite Unterstützung" der Katholiken in Deutschland, hieß es.
Der offene Brief von neun prominenten Katholiken an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz war am Wochenende in der "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" abgedruckt worden. Hintergrund ist das geplante Treffen zum Thema Missbrauch im Vatikan. Die Unterzeichner fordern unter anderen "echte Gewaltenteilung", eine Öffnung des Weiheamtes für Frauen, die Abschaffung des verpflichtenden Zölibats sowie eine neue Sexualmoral inklusive einer "gerechten Bewertung" von Homosexualität.