Mönch hilft als Pfleger auf Intensivstation

"Die Kirche ist kein Opfer der Krise"

Vom Benediktinermönch zum Pfleger in der Intensivmedizin: Was abenteuerlich klingt, hat Pater Wolfgang Hubert vom oberbayrischen Kloster Scheyern in der Coronakrise in die Tat umgesetzt. Warum er das macht, erzählt er im Interview.

Bewegung in einem Krankenhausflur / © hxdbzxy (shutterstock)
Bewegung in einem Krankenhausflur / © hxdbzxy ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Das Krankenhaus in Pfaffenhofen an der Ilm ist auf Sie zugekommen. Und da Sie einst den Beruf als Pfleger gelernt hatten und in der Klinik sonst Gottesdienste abgehalten haben, waren Sie vor Ort bereits bekannt. Wie lassen sich Ihre beiden Rollen, die als Benediktinermönch und die als Krankenpfleger miteinander vereinbaren?

Pater Wolfgang Hubert (Benediktinermönch aus dem Kloster Scheyern): Die lassen sich gut miteinander vereinbaren, denn ich bin ja nicht als Mönch geboren, sondern war Pfleger vorher. Ich habe den Beruf aufgegeben, weil für mich klar war, wenn ich ins Kloster gehe würde, sich das nicht miteinander verbinden lassen wird.

Jetzt bin ich im Alter an einem Punkt, wo ich fast sage, dass sich hier noch einmal etwas schließt. Da kommt unter den traurigen Umständen, die jetzt sind, beides zusammen. Aber ich mache das sehr gerne und bin dankbar, dass meine Gemeinschaft das unterstützt.

DOMRADIO.DE: Sie haben Patienten in dem Krankenhaus, die mit dem Coronavirus zu Ihnen kommen. Wie viele sind das denn und wie gehen Sie mit dieser neuen Krankheit um?

Pater Wolfgang: Das ist sehr unterschiedlich. Ich arbeite auf einer Station, wo es darum geht, die Patienten nicht länger als 48 Stunden zu überwachen. Manche kann man durch unterstützende Sauerstoffgabe sehr schnell wieder fit machen. Bei anderen ist der Verlauf schwieriger. Die müssen dann zum Beispiel auf eine Intensivstation verlegt werden. Es gibt Tage, da haben wir kaum Leute und es gibt Tage, da kommen zehn Leute zu uns, die dann nicht alle bei uns bleiben können, sondern im Krankenhaus weitervermittelt werden.

DOMRADIO.DE: Jetzt waren ja auch die Kirchen eine Zeit lang geschlossen. Gerade an Ostern waren öffentliche Gottesdienste verboten. Wie kamen Sie damit persönlich klar?

Pater Wolfgang: Ja, das ist natürlich schwierig. Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich Mönch bin, dass wir eine kleine Klostergemeinschaft sind und dass wir Gottesdienste halten können. Ein Gottesdienst ohne Gemeinde, das ist irgendwie ein Torso. Das habe ich auch speziell ganz deutlich gemerkt. Unser Abt hat in seiner Predigt mit einem Osterwitz versucht uns die Stimmung zu verbessern und uns bei Laune zu halten. Das ist ihm auch gut gelungen. Auch unser Kirchenmusiker hat alle Register gezogen, aber das ist eine Einschränkung.

DOMRADIO.DE: Wie bewerten Sie denn die Schließungen für Gläubige, gerade weil Sie ja einen Einblick in zwei Welten haben. Einerseits in die des Glaubens und andererseits in die der Medizin.

Pater Wolfgang: Ich glaube, dass alles, was in der letzten Zeit an Maßnahmen getan wurde und was sehr gut gegriffen hat, unter der Prämisse steht, alles für den Menschen zu tun. Dafür können wir als Christen eigentlich nicht dankbar genug sein. Gerade weil es unser christliches Menschenbild ist. Man könnte sich auch andere Prämissen vorstellen, ganz naturalistisch: Alles natürliche Auslese, die Natur reguliert sich selbst. Oder man könnte ganz wirtschaftlich gesehen sagen, dass wir keine Rücksicht nehmen können auf Einzelne. Das alles passiert nicht.

Es ist ganz speziell an die Menschen gedacht worden und es steht uns als Christen nicht gut an, uns als Opfer zu stilisieren. Natürlich ist es ein Einschnitt, wenn öffentliche Gottesdienste nicht öffentlich stattfinden können. Aber Opfer sind ganz andere in unserer Gesellschaft, die Kleinunternehmer, die Rentner im Altenheim, die keinen Besuch empfangen können und vielleicht ganz große Sehnsucht haben. Die Opfer selbst mit ihren Angehörigen, Pflegekräfte und alle, die in ganz wichtigen Berufen tätig sind. Das sind die Opfer. Als Kirche tun wir uns da nichts Gutes, wenn wir uns als Opfer stilisieren.

DOMRADIO.DE: Was für ein Gefühl haben Sie denn mit Blick auf die Zukunft? Wie wird die Krise weitergehen?

Pater Wolfgang: Ich hoffe, dass sie uns dazu führt, dass wir unseren Lebensstil verändern. Dass wir uns fragen, worauf es wirklich ankommt. Das ist das eine im Blick auf Lebenshaltung und Lebenseinstellung. Medizinisch sind wir noch lange nicht über dem Berg und das sollte man bei allen Diskussionen über Öffnung auch im Blick behalten. Dass es uns so gut geht, das hat mit diesen ganz strengen Maßnahmen zu tun, die Gott sei dank einen großen Konsens in der Bevölkerung haben. Aber das werden wir noch eine Weile durchhalten müssen und die Politik wird die Aufgabe haben, die, die wirklich Opfer sind, gut im Blick zu behalten.

Das Interview führte Julia Reck.


Quelle:
DR