Vier Fünftel der weißen Evangelikalen gaben bei der US-Präsidentschaftswahl Donald Trump ihre Stimme. Insgesamt stellten sie am 8. November rund ein Viertel der Urnengänger. Weiße Evangelikale sind seit 40 Jahren ein solider republikanischer Wählerblock. Doch insgesamt hätten die Republikaner wohl mehr von dieser Allianz profitiert als die Christen, sagt David Gushee, Professor für Christliche Ethik an der Mercer Universität im Bundesstaat Georgia.
Deren konservative Werte etwa bei den Themen Familie, Abtreibung und Homosexualität wurden in der Politik nicht immer umgesetzt. Das könnte sich ändern: Ausgerechnet der als nicht besonders religiös geltende Trump belohnt die rechten Christen - mit seiner Kabinettsbesetzung.
Reform versprochen
Konservative Christen bekämen von Trump offenbar "mehr als sie von vergangenen Präsidenten bekommen haben", sagte Barry Lynn, Präsident des Verbandes "Vereinigte Amerikaner für die Trennung von Kirche und Staat". Der Verband liegt im Dauerclinch mit der religiösen Rechten.
Trump habe ihnen viel Konkretes in Aussicht gestellt, so Lynn. Darunter auch eine Reform, mit der Kirchen parteipolitisch tätig sein dürfen.
Das Kabinett Trump
Gesundheitsminister wird der Abgeordnete Tom Price, ein erklärter Abtreibungsgegner, wie der Lebensschützer-Verband "National Right to Life" lobte. Im Kongress stimmte Price für einen Verfassungszusatz, die Ehe als Lebensbund von Mann und Frau zu definieren. Außerdem will er Barack Obamas Gesundheitsreform rückgängig machen. Ein Darling konservativer Christen ist die Bildungsministerin in spe, Betsy DeVos. Sie ist Erbin des Vermögens des Amway-Marketingunternehmens, Geldgeberin für rechte Anliegen und war zeitweilig im Leitungsrat der Mars Hill Church-Megakirche. DeVos engagiert sich für Schulprivatisierung und staatliche Subventionen für religiöse Schulen. Energieminister wird ein langjähriger Freund der christlichen Rechten, Rick Perry. Der frühere Gouverneur von Texas vertritt die Ansicht, Amerika sei auf christlichen Werten gegründet worden. Als Gouverneur hatte Perry 2011 einen Gottesdienst für 30.000 Menschen zum Gebet für moralische Erneuerung organisieren lassen.
Bauminister wird Ben Carson, ein Arzt ohne jegliche Erfahrung in diesem Bereich, doch bekannt als Autor und Redner zu moralischen Themen. Jeff Sessions, Gegner von Abtreibung und Homo-Ehe, übernimmt das Justizministerium. Chef der Umweltschutzbehörde wird Scott Pruitt, der Justizminister des Erdölstaates Oklahoma und Diakon der First Baptist Church in Broken Arrow in Oklahoma. Er steht in der Kritik wegen seiner Ansicht, es sei nicht bewiesen, dass der Klimawandel von Menschen verursacht sei. Mehr als 40 namhafte Baptisten verteidigten Pruitt in einem Brief an Trump gegen "Umweltschützer und theologisch liberale Geistliche". Pruitt sei hervorragend geeignet für den Umweltposten.
Kommt das Abtreibungsverbot?
Auf negative Reaktionen stieß dagegen bei den evangelikalen Christen der künftige Außenminister Rex Tillerson, Chef von ExxonMobil. Der Erdölkonzern habe an den Familienplanungsverband "Planned Parenthood" gespendet, klagte der Präsident des konservativen Familienforschungsrates, Tony Perkins. Als ehrenamtlicher Präsident der Pfadfinder (2010 bis 2012) sei Tillerson für die Aufnahme schwuler Mitglieder eingetreten. Das habe die "Boy Scouts" gespalten.
Der "große Preis" für konservative Christen sei die Hoffnung auf ein Ende der Liberalisierung bei der Abtreibung, sagt der Ethik-Professor Gushee aus Georgia. Trump habe versprochen, er werde nur Verfassungsrichter ernennen, die das Urteil von 1973 zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs aufheben wollen. Zudem sei mit Maßnahmen zu rechnen, nach denen Bürger Vorschriften missachten dürfen, wenn diese ihrem religiösen Glauben widersprechen.
Religionswissenschaftler werden wohl noch lange diskutieren, warum die konservativen Christen, die als Streiter für Familienwerte in die Politik eingestiegen sind, für einen zum dritten Mal verheirateten Spielkasinogründer gestimmt haben. Gushee sagt, es habe wohl etwas mit Trumps "autoritärem Charakter" zu tun. Dieser komme offenbar bei vielen Evangelikalen gut an.