Die Lilie ist zentrales Symbol der Verkündigungsszene der Gottesmutter

Auf den Spuren der Lilie

Die Lilie hat tiefe Spuren in der morgen- und abendländischen Kultur hinterlassen. Selbst in der Bibel wird sie erwähnt. Gartenhistorikerin Antje Peters-Reimann fasziniert die Entwicklung von der Antike bis hin zur Romantik.

Autor/in:
Dagmar Peters
Blühende Madonnenlilien in einem Gewächshaus in Nitzan / © Andrea Krogmann (KNA)
Blühende Madonnenlilien in einem Gewächshaus in Nitzan / © Andrea Krogmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt die Lilie in der Bibel? 

Antje Peters-Reimann (Gartenhistorikerin): In der Bibel hat die Lilie unglaublich viele Spuren hinterlassen. Sie ist so schön, da wundert das einen nicht. Zum Beispiel gibt es ein wunderschönes Zitat vom Evangelisten Lukas. Da geht es darum, dass man sich nicht so viele Sorgen machen soll, was morgen und übermorgen ist. Schließlich kann man, selbst wenn man Sorgen hat, sein Leben nicht verlängern. 

In der Bibel steht: "Seht euch die Lilien an, wie sie wachsen. Sie arbeiten nicht und sie spinnen nicht. Doch ich sage euch selbst, Salomo war in all seiner Pracht nicht gekleidet wie eine von ihnen." Ist das nicht schön? 

DOMRADIO.DE: Die Lilien wurden ebenfalls mit der Mutter Gottes verbunden. Wie kam es dazu? 

Peters-Reimann: Das verdanken wir der Antike. Aber erst einmal der Grund, warum sie mit der Gottesmutter verbunden wurde: Man kennt möglicherweise die Gemälde, auf denen der Erzengel Gabriel mit einer weißen Madonnenlilie auf die junge Maria zutritt und ihr verkündet, dass sie das Kind Jesus gebären wird. Das ist die übliche Verkündigungsszene und da sieht man immer eine weiße Madonnenlilie. 

Maria gilt vor allem in ländlichen Gegenden als "die Blume des Feldes und die Lilie der Täler". / © Andreas Gebert (dpa)
Maria gilt vor allem in ländlichen Gegenden als "die Blume des Feldes und die Lilie der Täler". / © Andreas Gebert ( dpa )

Dass in der Szene eine Madonnenlilie vorkommt, verdanken wir der Antike. Denn damals war es üblich, dass man Symbolpflanzen hatte. Die weiße Lilie war das Zeichen Heras, der griechischen Göttermutter. Dieses Zeichen der Göttermutter ging später auf unsere Maria über. Das haben wir uns ausgeliehen. 

DOMRADIO.DE: Das heißt, dass die Lilie in vielen Kulturen als schöne Pflanze eingegangen ist, oder? 

Antje Peters-Reimann

"Die Lilie ist in der gesamten Kultur der Menschheit ganz tief verwurzelt."

Peters-Reimann: Tatsächlich. Ursprünglich kommt sie aus Kleinasien. Um 3.000 vor Christus sieht man sie schon im Mittelmeerraum, beispielsweise auf ägyptischen Sarkophagen. Der berühmte Tempel des König Salomos soll mit Lilien-Symbolen geschmückt gewesen sein. Die Lilie ist in der gesamten Kultur der Menschheit ganz tief verwurzelt. 

DOMRADIO.DE: Dann ist es kein Wunder, dass Dichter diese wunderschöne Pflanze angeschaut haben und sie in ihre Gedichte einbauten. 

Peters-Reimann: Genau, sie wurde sogar in Gedichte eingebaut. Das ist heute ein bisschen befremdlich, wenn man das liest. Aber in der Zeit der Romantik wurde eine Frau als besonders schön angesehen, wenn sie lilienbleiche Haut hatte. Die Lilie war dann das Zeichen, dass die Frau schwach und anlehnungsbedürftig ist.

Wieland, der Dichter, hat beispielsweise über eine Frau geschrieben: "Sie sagt mit schwacher, halb erstickter Stimme und sinkt an seine Brust, so sinkt im Sturm knickt der Lilie welkes Haupt." Das ist natürlich sehr dick aufgetragen und für uns heute ein bisschen merkwürdig. Aber mit der Lilie wurde eben die schwache, anlehnungsbedürftige Frau symbolisiert. 

Schwertlilien / © Greerascris (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Wozu lässt sich die Lilie verwenden? 

Peters-Reimann: Die wurde schon immer in der Medizin verwendet - nicht unbedingt die Madonnenlilie, aber andere Sorten der Lilie. Man verwendete den Lilienextrakt schon seit der Antike in Salben beispielsweise bei Husten, Blutkrankheiten und Schlaflosigkeit. 

Selbst Hildegard von Bingen, die heilkundige Nonne, hat Lilienextrakt verwendet, um oberflächliche Verletzungen auf der Haut zu behandeln. 

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR