Am Anfang war es der Humor von ein paar Witzbolden, die den Statistikern einen Streich spielen wollten: In der tschechischen Volkszählung 2011 gaben sie an, der "Religion der Jedi-Ritter" anzugehören, deren Glaubenssätze auf den Helden der Star-Wars-Filme basierten. Und jetzt, bei der jüngsten Volkszählung 2021, gewann der Scherz eine kuriose Eigendynamik: So viele Tschechen und Tschechinnen machten mit, dass die Jedi-Ritter auf einmal zur fünftgrößten "Glaubensgemeinschaft" im Land wurden - und zu einer der sehr wenigen, die noch Anhänger hinzugewinnt.
Hinter diesem Gag verbirgt sich ein Problem, mit dem die tschechischen Kirchen schon lange kämpfen: Die Mitgliederzahl befindet sich weiter im Sinkflug. Nur 13,1 Prozent der Tschechen bekennen sich der Volkszählung zufolge überhaupt zu einer Glaubensgemeinschaft.
Erhebung alle zehn Jahre
Alle zehn Jahre gibt es in Tschechien eine große Volkszählung, und seit 1991 hat sich demnach die Zahl der Gläubigen kontinuierlich verringert - von rund 4,5 Millionen auf inzwischen nur noch 1,5 Millionen im Zehn-Millionen-Einwohner-Land. Die katholische Kirche bleibt mit 741.000 Gläubigen die größte Religionsgemeinschaft in Tschechien, danach folgt die orthodoxe Kirche mit rund 40.000
Nennungen. Die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder folgt auf dem dritten Platz - mit knapp 33.000 Mitgliedern. Die Jedi-Ritter kommen auf rund 21.000 "Anhänger".
Protestantische und katholische Kirchenvertreter sagen allerdings, nach ihrer Wahrnehmung nehme unter jungen Tschechen und Tschechinnen das Interesse an Kirche wieder zu. Zwei Aushängeschilder einer modernen Kirche sind Jakub Maly und Karel Müller. Die beiden Pfarrer der evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder sind Anfang 30 und auf YouTube unter dem Namen "Pastoral Brothers" aktiv.
"Wir merken an den Reaktionen auf unsere Videos, dass die Leute sich für den Glauben interessieren", sagt Jakub Maly, der gemeinsam mit einem älteren Kollegen eine Gemeinde in Prag leitet. "Aber die
kirchliche Version des Glaubens ist nicht an sie herangekommen, vielleicht ist sie zu schulisch, zu moralistisch. Wir sind deshalb für unsere Videos mit Humor an die Sache rangegangen und haben
gemerkt: Wenn das Christentum einen offenen Zugang anbietet, dann sagen die Leute: Warum nicht?"
Fans im ganzen Land
Regelmäßig bekomme er Mails von Tschechen, die ihn aus seinen Internet-Videos kennen und sich ihm anvertrauen wollten. "Das sind Leute, die ich noch nie gesehen habe. Sie sind eher kirchenfern oder haben vielleicht Eltern, die zur Kirche gehen. Und ihnen ist gemein, dass sie das Bedürfnis haben, mit einem Pfarrer über ihre persönlichen Probleme zu sprechen."
Die Kirchenferne in Tschechien hat historische Gründe. Im Kommunismus wurden Gläubige und Geistliche systematisch verfolgt und unterdrückt - anders als etwa im benachbarten Polen, wo die Kirche bis heute eine große Rolle spielt. Und noch eine Erfahrung aus dem Kommunismus sei bis heute spürbar, urteilt Stanislav Pribyl, der Generalsekretär der katholischen tschechischen Bischofskonferenz:
"Hier herrscht ein großes Misstrauen gegen Institutionen im Allgemeinen. Viele verstehen den Glauben als etwas Persönliches. Vielleicht gehen sie in die Kirche, aber sie geben es nirgendwo an, weil sie sich etwa mit der Institution nicht verbunden fühlen."
Keine staatliche Erfassung der Zahlen
Tatsächlich sind die Ergebnisse der Volkszählung mit Vorsicht zu genießen; 30 Prozent der Befragten haben die Angabe zu ihrem Glauben komplett verweigert. Und weil in Tschechien der Staat keine
Kirchensteuer erhebt, ist die Religionszugehörigkeit nirgends zentral erfasst.
"Wir können nicht einmal sagen, wie viele Getaufte es in Tschechien gibt", sagt Stanislav Pribyl von der Bischofskonferenz: "Im Kommunismus wurden die Taufen aus Angst vor Repressalien oft
nicht aufgeschrieben, auch nicht in den Gemeinden. Wir haben unsere eigene Schätzung von 42 Prozent; es ist zwar eine fundierte Schätzung, aber eben eine Schätzung."
Um um die Gläubigen zu werben, setzen die Katholiken in den Städten auf sogenannte Gemeindezentren. Das jüngste von ihnen, so erzählt Pribyl, sei unlängst in einer Plattenbausiedlung in Prag
eröffnet worden. "Der Pfarrer wohnt im Plattenbau und ist den Menschen nah. In der Kirche gibt es nicht nur Gottesdienste, sondern in den Veranstaltungsräumen jede Menge Angebote für die Leute." Im
Alltag der Gläubigen präsent sein und nicht nur bei den Sonntagsgottesdiensten - das könnte die Zukunft sein, sagt er.
Nicht die Austritte sind das Problem
Der deutsche Pfarrer Gerhard Frey-Reininghaus arbeitet seit mehreren Jahrzehnten für die Evangelische Kirche der Böhmischen
Brüder in Prag. "Bei uns sind es in der Regel nicht die Kirchenaustritte, die etwas verändern, sondern die Umzüge der Menschen aus ihrer Gemeinde", sagt er. Und da ist etwas in Bewegung
geraten: In größeren Städten wachsen die Gemeinden zum Teil sogar, während ländliche Gemeinden nach und nach aussterben. Denn es kommen
beispielsweise viele junge Leute aus religiösen Familien zum Studieren nach Prag und bleiben dann dort.
Und jüngere, akademisch geprägte Menschen in den Städten suchten vermehrt nach religiösen Antworten und wendeten sich dabei der Kirche zu, beobachtet Jakub Maly, der junge Pfarrer mit seinen Internet-Videos. Für diese Leute, für diese Suchenden, dürfe die Kirche keine Hürden aufbauen. Damit die "Jedi-Ritter" nicht die Gruppe bleibt, die am stärksten wächst.