Als Prinzessin Margaret, die 2002 verstorbene Schwester der Queen, 1990 die Synagoge in Maidenhead besuchte, war sie völlig überrascht zu hören, dass an jedem Sabbat in jeder Synagoge des Landes für das Wohlergehen der Königin gebetet wird. "Wie wunderbar", sagte sie. "Das tun sie nicht für uns in der Kirche. Das muss ich meiner Schwester erzählen."
Die jüdische Gemeinde im Vereinigten Königreich hat jetzt das Gebet angepasst: für unseren König Charles, unsere Königin Camilla, den Herzog und die Herzogin von Cambridge und die ganze königliche Familie.
Rabbi Ephraim Mirvis, aktueller Oberrabbiner in Großbritannien, sagte zum Tod der Königin, ihre Zuneigung zur jüdischen Gemeinschaft habe echte Tiefe gehabt, ihr Respekt vor den jüdischen Werten sei spürbar gewesen. Er hat ein Gebet veröffentlicht, in dem an sie als Verteidigerin des Glaubens, Wächterin der Freiheit und Symbol der Einheit erinnert wird.
Rabbi Jonathan Romain, Autor eines Buches über die Geschichte der Juden in Großbritannien und Leiter der Synagoge in Maidenhead, sprach nach dem Besuch von Prinzessin Margaret in seiner Synagoge 1990 davon, dass sich unter Elizabeth II. die Juden eines goldenen Zeitalters der Toleranz und Sicherheit erfreuten.
Geschichte der Juden in England mit Höhen und Tiefen
Das war nicht immer so, die Geschichte der Juden in England hat Höhen und schreckliche Tiefen. Wilhelm der Eroberer hat nach seiner Machtübernahme 1066 Juden eigens eingeladen, sich in England niederzulassen. Zwar lebten schon einige in England, jedoch nicht als organisierte Gemeinschaft. Die Beziehungen blieben gut, so Rabbi Jonathan Romain, unter seinem Nachfolger, ebenfalls ein William.
Die Juden bekamen ihren Status per Urkunde gesichert, waren aber Eigentum des Monarchen und damit völlig abhängig von dessen Vorlieben oder Antipathien. 1290 mussten unter Edward I. alle Juden ohne Ausnahme England verlassen. Sie durften erst während der kurzen republikanischen Episode unter dem Puritaner Oliver Cromwell im Jahr 1656 wiederkommen. Mit Benjamin Disraeli (1804-1881) stammte sogar ein englische Premierminister aus einer jüdischen Familie. Er hatte ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu seiner Monarchin, Queen Victoria.
Rabbi Romain wies in seinen Veröffentlichungen darauf hin, dass die verstorbene Königin ihre drei Söhne hat beschneiden lassen - nicht von Hofchirurgen, sondern von einem Mohel, einem jüdischen, eigens dafür ausgebildeten Fachmann. Das war damals, so heißt es, Jacob Snowman beim jetzigen König, und sein Sohn Leonard bei den Prinzen Andrew und Edward. Eine offizielle Bestätigung gibt es dafür allerdings nicht.
Elizabeth II. war seit 1952 Schirmherrin des 1942 gegründeten Rates der Christen und Juden. Ebenso übte sie das gleiche Amt für die jüdische Wohltätigkeitsorganisation Norwood aus. Die jüdische Gemeinschaft fühlte sich von ihr beschützt und sprach zu allen Jubiläen Dank und Glückwünsche aus, doch fehlte es nicht an durchaus kritischen Stimmen.
Queen Elizabeth II. war nie in Israel
Tatsächlich hat die Queen zwar sehr viele Länder der Welt besucht, aber nie Israel. Den ersten offiziellen Besuch eines Mitglieds des Königshauses in Israel und den palästinensischen Gebieten unternahm 2018 Prinz William. Sein Großvater, der verstorbene Prinz Philip, besuchte 1994 Jerusalem als Privatperson, als seine Mutter Alice als "Gerechte unter den Vökern" von Yad Vashem anerkannt wurde. Sie liegt auf dem Ölberg begraben.
Überhaupt hatte der 2021 verstorbene Prinz Philip ein sehr viel engeres, persönlicheres Verhältnis zu Juden als die Königin. Er ging erst in Salem, dann in Gordonstoun zur Schule, eine Gründung des jüdischen Pädagogen Kurt Hahn (1886-1974), der Deutschland verlassen musste und sich dann in Schottland niederließ. Darüber hinaus war Prinz Philip auch in seinem Freundeskreis offener gegenüber Juden wie Sterling Henry Nahum, der auch in der Netflix-Serie "The Crown" auftaucht.
König Charles hat immer ein ähnlich warmes Verhältnis wie sein Vater zur jüdischen Gemeinde gehabt. Er hat sich als Schirmherr von Wohltätigkeitsorganisationen eingebracht und sich für das Gedenken an den Holocaust an den europäischen Juden engagiert. 2020 hat er im Zusammenhang mit dem 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz Israel und die palästinensischen Gebiete besucht.
Da er den Ehrentitel "Verteidiger des Glaubens" nicht in der früheren anglikanischen Enge interpretieren will, hat er schon früh gute Beziehungen zu anderen Glaubensgemeinschaften entwickelt, wie sich an seinen häufigen Zusammentreffen mit der jüdischen Gemeinschaft zeigt.