Innerhalb von nur drei Tagen haben zwei katholische Geistliche in Lateinamerika Geschichte geschrieben: Zuerst überbrachte in Kolumbiens Hauptstadt Bogota Jesuitenpater Francisco de Roux (78) als Vorsitzender der Wahrheitskommission zur Aufarbeitung des bewaffneten Konflikts seinen 50 Millionen Landsleuten die dramatischen Zahlen des Bürgerkrieges.
Dann folgte in Ecuadors Hauptstadt die Stunde von Quitos Weihbischof David de la Torre: Als Generalsekretär der Ecuadorianischen Bischofskonferenz leistete er seinen Teil als Vermittler, um einen teils blutigen fast drei Wochen langen Streik und Streit zwischen der Regierung des konservativen Präsidenten Guillermo Lasso und dem Indigenen-Verband Conaie zu beenden.
In Ecuador erzielte die Kirche ein Streikende
"Die erscheinenden Parteien erklären sich damit einverstanden, einen Tisch des Dialogs mit der Anwesenheit der Garanten einzurichten", sagte De la Torre am Donnerstagmittag (Ortszeit), und durch das ganze Land ging ein fast hörbares Aufatmen.
Zwar ist der Streik nun erst einmal beendet, nun aber sollen in den nächsten 90 Tagen in Arbeitsgruppen Lösungen für die zehn Forderungen der Indigenen gefunden werden. "Die Anwesenheit der staatlichen Funktionen in Bezug auf die besprochenen Punkte wird garantiert", heißt in dem Teil des Protokolls, das De la Torre vortrug.
Die Regierung erklärte sich laut einem Bericht der Zeitung "El Universo" zu einer weiteren Benzinpreissenkung um nun umgerechnet insgesamt 14 Cent pro Gallone bereit, der Indigenen-Verband erklärte daraufhin, den seit über zwei Wochen anhaltenden Streik beenden zu wollen. Erst am Mittwochabend (Ortszeit) hatten sich beide Seiten auf eine Vermittlung der Kirche verständigt. Die Bischöfe hatten zuvor friedliche Proteste als legitim bezeichnet und mehr Anstrengungen für die Verwundbarsten und Armen gefordert.
Geistliche bestimmten die Abendnachrichten
Sowohl De Roux als auch De la Torre bestimmten nicht nur in ihren Heimatländern die Abendnachrichten, auch in ganz Lateinamerika, den USA und Europa flimmerten die Gesichter über die Bildschirme. Sie sind nun kirchliche "Stars", die dokumentieren, dass der Einfluss, die Glaubwürdigkeit, aber auch das Vertrauen in die Kirche in Lateinamerika deutlich höher scheint als in Europa. Die Kirche wird zwischen dem Rio Bravo und Feuerland immer noch als Konfliktlöser wahrgenommen, als eine Institution, die in schwierigsten gesellschaftlichen Fragen zu Rate gezogen wird.
In Kolumbien und Ecuador ist die Arbeit damit noch nicht beendet. Der Indigenen-Verband in Ecuador forderte neben einer Reaktion auf die hohen Spritpreise auch eine Zahlungspause für Bankkredite von Kleinbauern, eine Preiskontrolle für Agrarprodukte, mehr Arbeitsplätze, die Aussetzung von Bergbaukonzessionen in indigenen Gebieten und mehr Investitionen für Gesundheit, Bildung und Sicherheit. Die ecuadorianische Kirche wird nun genau hinsehen, ob die Versprechen der Regierung auch eingelöst werden, sich diesen Problemen zu stellen.
Kirche will Friedensprozess unterstützen
Und in Kolumbien wird der Kirche ziemlich sicher auch eine entscheidende Rolle zukommen, den nächsten Schritt im Friedensprozess zu begleiten. Der Erzbischof der Unruhehochburg Cali, Dario Monsalve, hat bereits seine Bereitschaft erklärt, als Vermittler bei möglichen Friedensgesprächen zwischen der ELN-Guerilla und der künftigen Regierung des linksgerichteten Präsidenten Gustavo Petro zu fungieren.
Er sehne diese Gespräche geradezu herbei, sagte Monsalve der lokalen Tageszeitung "El Pais" vor ein paar Tagen. Er sei zwar ein alter Bischof und fast schon im Ruhestand, aber er sei bereit, auf diesem Weg zu helfen und mitzuarbeiten, so der 74-Jährige. Monsalve hatte in den letzten Jahren immer wieder als Vermittler bei Entführungen oder in humanitären Angelegenheiten Kontakt zur ELN.