DOMRADIO.DE: Hört denn überhaupt einer auf das, was der Papst in Sachen Klimafragen zu sagen hat?
Prof. Ralph Rotte (Politikwissenschaftler RWTH Aachen): Im Prinzip schon. Man hört den Vertretern des Vatikan und damit des Papstes in solchen internationalen Gremien durchaus zu. Ob sich die Anregungen des Papstes wirklich durchsetzen, angesichts der machtpolitischen Schwäche des Vatikans, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Da kollidieren dann sozusagen die "Softpower" des Vatikan mit irgendwelchen handfesten Interessen, möglicherweise von Staaten und vielleicht auch von Konzernen.
DOMRADIO.DE: Wie geht denn die vatikanische Delegation der Diplomaten in Glasgow konkret vor? Welches Interesse verfolgt zum Beispiel Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin?
Rotte: Letztlich ist es wie fast immer im Kontext des Vatikans ein Appell an die Vernunft und die Verantwortung der Regierungen für zukünftige Generationen. Das wird sozusagen theologisch, aber auch pragmatisch damit begründet, dass zukünftige Generationen auch ein Recht haben auf ein menschenwürdiges Dasein und dass man eben von der Bibel aus, von Gott aus, die Schöpfung an die Hand bekommen hat, und die jetzt auch brauchbar verwalten muss und man sie nicht einfach so zerstören darf.
DOMRADIO.DE: Wenn mächtige Länder bei der Klimakonferenz konkrete Zusagen machen, hat das ernsthafte Konsequenzen zur Folge, die mitunter für die Länder finanziell spürbar sind. Was kostet es denn den Vatikan selbst, wenn er mehr Einsatz für den Klimaschutz fordert?
Rotte: Relativ wenig. Ich meine, es sind tatsächlich eher die Appelle. Er muss natürlich quasi seinen Apparat dafür in Schuss halten. Teilweise gibt es auch tatsächlich Beiträge zu internationalen Organisationen von Seiten des Heiligen Stuhls, aber die sind mangels Finanzkraft sozusagen durchaus sehr beschränkt. Das heißt, das ist letztlich tatsächlich ein Engagement, das an die Vernunft appelliert, das versucht zu überzeugen und eben auf die moralische, ethische Institution und Autorität des Papstes setzt. Ob sich das dann, wie gesagt, durchsetzt, das steht auf einem anderen Blatt.
DOMRADIO.DE: Den größten Ausstoß an CO2 auf der Welt verursachen China, Indien und die USA. Die vatikanische Delegation hat gefordert, dass reiche Länder des Westens eine besondere Verantwortung haben und in Fragen der Klimaschutzmaßnahmen dann vorangehen sollten. Stehen denn die USA da wirklich höher in der Schuld als China?
Rotte: Das ist sozusagen die Idee, das alte Narrativ, das ist auch im Kontext von Entwicklungspolitik und Menschenrechtspolitik durchaus eine dauerhafte Position des Vatikans, dass diejenigen, die sozusagen mit der Industrialisierung früher angefangen haben, entsprechend auch mit der Umweltzerstörung bzw. der Klimazerstörung, dass die eine größere Verantwortung tragen. Gleichzeitig bedeutet das eben, wenn Industrialisierung gleichbedeutend mit sozioökonomischer Entwicklung ist, dass eben auch die Bewohner der ärmeren Länder das Recht haben auf einen besseren Lebensstandard. Und wenn das sozusagen dann auf Kosten des Klimas geht, aufgrund der Art und Weise, wie diese wirtschaftliche Entwicklung vonstatten geht, dann muss man aus der Perspektive des Vatikans, des Papstes, so ein bisschen kulanter sein, weil eben die Industriestaaten bereits den Wohlstand haben.
Man kann jetzt nicht hingehen aus dieser Perspektive und sagen, die Ärmeren sollen gefälligst arm bleiben, dafür das Klima nicht schädigen. Das ist sozusagen ein Verteilungsproblem und eine Ungerechtigkeit, die da gesehen wird. Man muss natürlich auch kritisch anmerken, dass China mittlerweile der mit Abstand größte CO2-Emittent ist, Indien kräftig aufholt. Und wenn es tatsächlich so ernst ist mit der Klimakrise, wie das die Wissenschaft eben sagt, dann stellt sich natürlich schon die Frage, ob die Implikationen der päpstlichen Position, dass vielleicht Entwicklungsländer, Schwellenländer noch so ein bisschen länger CO2 ausstoßen dürfen oder vielleicht sogar noch mehr CO2 ausstoßen dürfen, ob das dann wirklich das Problem löst? Da kann man durchaus skeptisch sein. Von der Gerechtigkeitsperspektive heraus ist das insgesamt durchaus eine konsistente Position.
Das Interview führte Dagmar Peters.