Die SPD kämpft mit den Folgen des Wahl-Gaus - Roland Koch bereitet sich auf Neuwahlen vor

Tohuwabohu in Hessen

Nach dem gescheiterten Machtwechsel im Wiesbadener Landtag rumort es in der hessischen SPD. Mehrere Ortsvereine wollen die vier SPD-Abweichler aus der Partei ausschließen. Unterdessen werden Neuwahlen immer wahrscheinlicher.

 (DR)

Neben dem SPD-Ortsverein Frankfurt-Bonames haben noch "fünf bis sechs" weitere Ortsvereine einen Parteiausschluss von Jürgen Walter, Dagmar Metzger, Silke Tesch und Carmen Everts beantragt, sagte ein Sprecher des SPD-Bezirks Hessen-Süd. Einzelheiten konnte er nicht nennen, "weil die Anträge für ein Parteiausschlussverfahren zunächst bei den Unterbezirken eingereicht werden müssen", erklärte er.

Der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Frankfurt-Bonames, Tarkan Akman, sagte, der Ortsverein stufe das Verhalten der vier Abweichler als "eindeutig parteischädigend" ein. Daraufhin habe man ein Ausschlussverfahren gegen die vier beim SPD-Unterbezirk Frankfurt beantragt. Man könne "so eine Gewissensentscheidung durchaus treffen", sagte Akman und ergänzte mit Blick auf Walter: Man könne sich aber nicht einen Monat "mit an den Tisch setzen", einen Vertrag mit aushandeln und sich dann einen Tag vor der geplanten Wahl "noch zwei Kumpanen" suchen und ausscheren. Das sei "persönliche Rache".

Auch bei der SPD Marburg-Biedenkopf, dem Wahlkreis von Silke Tesch, herrschte Entsetzen über deren Verhalten. "Es gibt hier keine Zustimmung für sie", sagte die Geschäftsführerin Eva Wenckebach. In der Geschäftsstelle gingen etliche Anrufe ein: "Die erste Frage ist meistens: Hat die sie noch alle? Die zweite: Was bildet sie sich ein?" Eine kritische Haltung zur Kooperation mit der Linken hätten auch andere im Wahlkreis. Sich aber nach mehreren Parteitagen so zu verhalten, das werde abgelehnt. Tesch sei am Dienstag zudem abgetaucht und auch für die SPD nicht zu erreichen gewesen.

Scheer bringt Ypsilanti ins Gespräch
Abweichlerin Carmen Everts erklärte unterdessen den Verzicht auf alle Parteiämter im Kreisverband Groß-Gerau, im Stadtverband sowie im Ortsverein erklärt. Der Geschäftsführer des Kreisverbandes, Claus Coutandin, begrüßte die Entscheidung der bisherigen SPD-Kreischefin. Auch ihr Mandat im Kreistag stelle die 40-Jährige zur Verfügung, ihr Landtagsmandat wolle sie allerdings behalten, sagte Coutandin: "Wir hatten sie aufgefordert, auch das Mandat niederzulegen." Everts sei zwar als Direktkandidatin gewählt, "aber eben auch für die SPD".

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer brachte Ypsilanti als Spitzenkandidatin für eine vorgezogene Landtagswahl ins Gespräch. Man werde "Ypsilanti im Wahlkampf erneut unterstützen, wenn sie es will", sagte er. Die Parteichefin sei in der hessischen SPD mit ihrer politischen Linie "tiefer verankert als je zuvor".

Koch: «Die Bevölkerung will Neuwahlen»
Der amtierende hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) rechnet mit raschen Neuwahlen. Der Tageszeitung «Die Welt» (Mittwochausgabe) sagt er: «Die Bevölkerung hat einen klaren Wunsch nach Neuwahlen.» Auf die Frage, ob er Neuwahlen für wahrscheinlich halte, antwortet Koch: «Ja».

Der CDU-Politiker verteidigte zugleich die vier SPD-Abgeordneten, die sich nicht für seine Konkurrentin Andrea Ypsilanti stimmen wollten, gegen den Vorwurf, sich zu spät offenbart zu haben. Es sei nicht unehrenhaft, lange mit sich gerungen zu haben, sagte Koch. Die Bedenken unter den SPD-Abgeordneten seien im hessischen Landtag «mit den Händen zu greifen» gewesen.

Die vier SPD-Abweichler hatten am Montag mit ihrer Ankündigung die Pläne von Ypsilanti durchkreuzt, sich am Dienstag mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin einer rot-grünen Minderheitsregierung wählen zu lassen.