Liebenau beendet Gespräche mit Gewerkschaften

Die Stiftung interessiert sich wieder für den Dritten Weg

Tarifvertrag mit den Gewerkschaften, oder Beteiligung am Dritten Weg der katholischen Kirche? Seit Jahren ist unklar, wohin die Stiftung Liebenau. Jetzt wurden die Gespräch mit Verdi abgebrochen.

Autor/in:
Michael Jacquemain
Stiftung Liebenau bricht Gespräche mit Verdi ab / © Daniel Naupold (dpa)
Stiftung Liebenau bricht Gespräche mit Verdi ab / © Daniel Naupold ( dpa )

Die Stiftung Liebenau hat ihre Gespräche mit der Gewerkschaft Verdi über die Bezahlung von rund 800 Angestellten abgebrochen. Am Montag kündigte der Sozialkonzern aus dem Kreis Ravensburg an, wieder auf den Dritten Weg - also zu kirchlichem Arbeitsrecht - zurückkehren zu wollen. Geklärt ist die Auseinandersetzung damit aber nicht.

Zwischenzeitlich schwappten die Wellen aus dem Bodenseeraum bis nach Berlin. Denn durch den Aufruf eines großen konfessionellen Trägers zu Tarifverhandlungen sahen dort nicht wenige den Dritten Weg beschädigt, weil die Kirchen ansonsten auf ihr grundgesetzlich verbrieftes Recht pochen, ihr Arbeitsrecht selbst zu regeln.

Nach Rechtsstreit: Hoffnung auf kirchliche Tarifstruktur

Die Geschichte hat einen Vorlauf: Nach jahrelangem Rechtsstreit zwischen dem Bistum Rottenburg-Stuttgart und dem Land hatte der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof 2009 entschieden, dass die Stiftung kirchlich ist und der Rechtsaufsicht des Bischofs untersteht.

Prälat Michael Brock wurde als Vorstand in die Liebenau entsandt, und viele hatten mit ihm die Hoffnung verbunden, dass die Stiftung mit ihren rund 7.500 Mitarbeitern in etwa 350 sozialen Einrichtungen und knapp 400 Millionen Euro Erlösen komplett die kirchliche Tarifstruktur übernimmt.

Aber nach achtjährigen zähen, letztlich vergeblichen Gesprächen kam es Ende 2018 für drei Liebenau-Tochtergesellschaften zum Bruch. Auch weil das Bistum die Ausnahmegenehmigung - kirchlicher Betrieb ohne kirchliche Bezahlstruktur - nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag verlängern wollte. Die Liebenau kündigte daraufhin an, mit Verdi zu verhandeln.

Das Interesse der Gewerkschaft hielt sich in Grenzen, weil der Organisationsgrad im Pflegebereich gering ist. Doch Verdi investierte Zeit und Geld, gewann nach eigenen Angaben um die 200 neue Mitglieder. Der Bitte der Liebenau um Tarifverhandlungen wurde entsprochen - nicht zuletzt war es für die Gewerkschaft attraktiv, einen Fuß in die Tür der ansonsten wenig gewerkschaftsfreundlichen Kirchen zu bekommen. Erste Gespräche fanden um den Jahreswechsel 2019/2020 statt, im Sommer wirkte es so, als stünde ein Durchbruch bevor.

Verdi erhebt Vorwurf

Jetzt aber die erneute Kehrtwende der Stiftung. Im Kern lautet ihr Vorwurf, Verdi habe "immer wieder zusätzliche Forderungen erhoben". Verdi-Vertreterin Yvonne Baumann zeigte sich auf Anfrage wenig überrascht über den Verhandlungsabbruch. Die Frage werde jetzt sein, ob die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas der Stiftung nun einen günstigeren Abschluss anbiete, so Baumann. Bei Gesprächen werde die Stiftung erneut versuchen, die Verhandlungen weiter in die Länge zu ziehen, so Baumanns Prognose.

Zentral scheint zu sein, dass die Liebenau auch jetzt nicht einfach die kirchlichen Regelungen übernehmen, sondern sich lediglich an ihnen "orientieren" will; der Dritte Weg werde lediglich "angestrebt". Übersetzt heißt das mit Blick auf die Löhne: drunter bleiben. Die Stiftung hatte daraus auch nie einen Hehl gemacht.

Frage nach Altersversorgung entscheidend

Auf die Frage, ob sie lieber im kirchlichen System bleiben oder mit einer Gewerkschaft sprechen wolle, antwortete die Stiftung vor rund einem Jahr, entscheidend sei, "dass am Ende dieser Verhandlungen Einvernehmen über ein Vergütungssystem" erzielt werde. Knackpunkt ist neben den Löhnen die Frage der Altersversorgung, die nach Einschätzung aller als unzureichend gilt. Das Modell der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse (KZVK) hatte die Liebenau aber immer strikt abgelehnt.

Jetzt liegt der Schwarze Peter bei der Caritas. Dort wollte man immer den Eindruck vermeiden, sich an einem Bieterwettbewerb zu Lasten der Beschäftigten in der Pflege zu beteiligen. Gerade in Zeiten der Pandemie wäre das ein verheerendes Signal. Der Sprecher der Dienstgeberseite der Arbeitsrechtlichen Kommission, Norbert Altmann, begrüßte, dass die Liebenau ihre Tochtergesellschaft in den Dritten Weg führen wolle. Altmann zeigte sich optimistisch; für ihn "biegt ein jahrelanger, schwieriger Tarifkonflikt auf die Zielgerade ein".

 

Quelle:
KNA