Die UN-Resolution gegen Gewalt an Frauen und ihre Wirkung

Einmal Opfer, immer Opfer?

Seit dem 31. Oktober 2000 steht ihnen offiziell Schutz zu: Die UN-Resolution 1325 ruft Kriegsparteien dazu auf, die Rechte von Frauen zu schützen. Doch heute wollen Frauen mehr als nur als Opfer anerkannt zu werden: mitbestimmen.

Frauen: Erste Opfer im Krieg / ©  Thomas Einberger (epd)
Frauen: Erste Opfer im Krieg / © Thomas Einberger ( epd )

Syrien, Ruanda, Bosnien, Südsudan: Immer wieder werden Frauen im Krieg massenweise vergewaltigt - um den politischen Gegner zu schwächen, religiöse Gruppen zu verletzen oder schlicht um sie zu demütigen. Um auf sexualisierte Kriegsverbrechen angemessen reagieren zu können, verabschiedete der UN-Sicherheitsrat vor 15 Jahren, am 31. Oktober 2000, die Resolution 1325. Darin wurden erstmals Konfliktparteien dazu aufgerufen, die Rechte von Frauen zu schützen.

"Wichtigster Erfolg der Resolution war, dass es dazu gekommen ist, sie zu verabschieden", sagt Karin Nordmeyer. Nordmeyer ist ehrenamtliche Vorsitzende der deutschen Sektion der UN-Frauen-Organisation, die in Bonn sitzt. Die Resolution sollte helfen, Verbrechen wie im Bosnien-Krieg zu vermeiden: Zumeist serbische oder bosnisch-serbische Soldaten vergewaltigten Zehntausende vor allem muslimische Bosnierinnen.

Juristische Verfolgung der Täter erst ermöglicht

Die Erkenntnis, dass Frauen anderen Schutz brauchen als Männer wurde deutlich und mehrheitsfähig. Seitdem könne sexualisierte Gewalt in Kriegs- und Nachkriegszeiten juristisch geahndet werden, fügt Nordmeyer hinzu. Der eine Teil der Resolution legt fest, dass Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen geahndet werden können; der andere, dass Frauen gleichberechtigt in Friedensverhandlungen, Konfliktschlichtung und Wiederaufbau mit einzubeziehen sind.

"In der Resolution stehen alle wichtigen Forderungen, aber sie werden nicht umgesetzt", kritisiert Monika Hauser, Geschäftsführerin von Medica Mondiale. Die Frauenärztin setzt sich seit Anfang der 1990er Jahre mit Hilfe von Partner-Organisationen unter anderem in Afghanistan, Liberia und Bosnien-Herzegowina für traumatisierte Frauen ein. Nur sechs Prozent der gesamten UN-Hilfsgelder in den Jahren 2012 bis 2013 seien für Frauenbelange ausgegeben worden, beklagt sie.

Raus aus der Opferrolle

Bei ihrer Kritik stützt sich Hauser auf ein Gutachten, das für den UN-Sicherheitsrat erstellt wurde. Für den Erfolg von Friedensbemühen sei es unerlässlich, sagt Hauser, Frauen als Akteurinnen einzusetzen und anzuerkennen. "Wenn wir nicht Frauen an den Friedensprozessen beteiligen, kommen die Interessen von Frauen schlichtweg nicht vor." Obwohl sich viele Frauen selbst aus der Opferrolle befreiten, Organisationen gründeten, um anderen Frauen zu helfen, nehme die Öffentlichkeit sie nur durch einen "Schlüsselloch-Blick auf ihre schrecklichen Erfahrungen" wahr. "Es ist mir wichtig, dass auch hierzulande endlich wahrgenommen wird, dass gerade Frauen sich in den letzten Jahrzehnten zu einem besonders mutigen Teil der Zivilgesellschaft entwickelt haben", schreibt sie in einem Leserbrief.

Ein Beispiel ist Bakira Hasecic. Die muslimische Bosnierin wurde selbst von serbischen Soldaten vergewaltigt. Seit 2003, als sie die Organisation "Frauen - Opfer des Krieges" gründete, zeichnet sie Zeugenaussagen von vergewaltigten Frauen auf und übermittelt sie an die Staatsanwaltschaft in Bosnien-Herzegowina. Diese Berichte waren unter anderem auch die juristischen Vorlagen für die Kriegsverbrechertribunale in Den Haag.

Gleichberechtigte Rolle übernehmen

Hasecic sei einmal Opfer gewesen - heute sei sie Akteurin, betont Jasmina Prpic. Die Gründerin und Vorsitzende der deutschen Organisation "Anwältinnen ohne Grenzen" stammt selbst aus Bosnien-Herzegowina. "Die Frauen dort wollen nicht ihren Status 'Opfer' beibehalten, sondern mitmischen", erklärt die Juristin. Die vergewaltigten Frauen von damals seien heute Richterinnen, Anwältinnen und Ärztinnen und säßen in hohen Positionen. "Sie wollen und sind vor allem fähig, eine gleichberechtigte Rolle in der bosnischen Nachkriegsgesellschaft zu übernehmen."

Medica-Mondiale-Gründerin Hauser sieht eine wichtige Verantwortung bei den UN selbst. "In ihren Strukturen müssen Demokratisierungsprozesse laufen, was bedeutet, eine verbindliche Frauenquote einzuführen und Frauen an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen", fordert sie. "Wenn die UN selbst nicht das beherzigt, was sie vorschreibt, ist sie nicht glaubwürdig."

Genitalverstümmelung als Akt der Gewalt

Das katholische Missionswerk missio München fordert zum Aktionstag insbesondere einen stärkeren Kampf gegen die grausame Tradition der weiblichen Beschneidung. Das Ritual sei in vielen Regionen Afrikas noch immer weit verbreitet, egal welche Religion die Menschen hätten, sagt missio-Präsident Wolfgang Huber.

Dabei werde die Würde der Mädchen und Frauen in ganz besonders brutaler Weise missachtet. Deshalb setze sich missio auch in verschiedenen Projekten, unter anderem im afrikanischen Tansania, gegen die weibliche Genitalverstümmelung ein.

"Wir müssen unseren Einfluss nutzen und alles tun, damit dieses Ritual bald der Vergangenheit angehört", betont Huber. Entscheidend sei, dass sich das Bewusstsein der Menschen verändere. Zudem gehe es darum, betroffenen jungen Frauen eine neue und menschenwürdige Perspektive zu geben.

Gewalt gegen Frauen ist aber kein Phänomen anderer, ferne Länder: Wissenschaftliche Studien zeigen, dass auch in Deutschland jede vierte Frau in ihrem Leben zumindest einmal von einem Lebenspartner körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfährt.


Quelle:
epd , KNA