Die verschiedenen Positionen im Bundestag zur Stammzellforschung

Moralische Bedenken versus Forschungsfreiheit

Der Bundestag hat am Donnerstag in erster Lesung über eine mögliche Novellierung des Stammzellgesetzes beraten. Hintergrund der Debatte sind Forderungen deutscher Wissenschaftler nach Erleichterung ihrer Forschung. Bisher kann in Deutschland nur an embryonalen Stammzellen geforscht werden, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden und aus dem Ausland stammen. Welcher Gesetzesentwurf fordert was und wer unterstützt ihn?

 (DR)

Nach Angaben der Wissenschaft kann mit den rund 20 verwendeten Zelllinien in Deutschland in absehbarer Zeit nicht mehr gearbeitet werden. Insgesamt wird am Donnerstag über fünf interfraktionelle Vorschläge debattiert. Die Entscheidung des Parlaments wird für Mitte März erwartet.

In dem Gesetzentwurf mit den meisten Unterzeichnern - mehr als 185 - wird eine einmalige Verschiebung des Stichtages auf den 1. Mai 2007 vorgeschlagen. Mit der Verlegung stünden künftig über 500 Zelllinien zur Verfügung. Der Antrag sieht auch vor, deutsche Forscher im Ausland, die mit embryonalen Stammzellen arbeiten, die nicht unter die deutsche Stichtagsregelung fallen, nicht strafrechtlich zu verfolgen.

Die Unterstützer dieser Initiative sehen die Grundausrichtung des Gesetzes, eine Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken zu verhindern, gewahrt. Der Antrag wurde unter anderen von Forschungsministerin Annette Schavan (CDU), Justizministerin Brigitte Zypries, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (beide SPD), Wirtschaftsminister Michael Glos und Agrarminister Horst Seehofer (beide CSU) sowie SPD-Fraktionschef Peter Struck unterzeichnet.

Außerdem gibt es einen Entwurf von mehr als 100 Parlamentariern zur völligen Abschaffung der Stichtagsregelung. Die Abgeordneten sehen die Wissenschaft derzeit durch veraltete und verunreinigte Stammzelllinien behindert. Die verfassungsrechtlich garantierte Forschungsfreiheit werde dadurch verletzt. Der Stichtag habe außerdem nicht verhindert, dass Embryonen irgendwo auf der Welt vernichtet wurden. Der Entwurf wurde von der Mehrheit der FDP-Fraktion unterzeichnet.

Der dritte Gesetzentwurf, den bisher mehr als 50 Abgeordnete mit ihrer Unterschrift unterstützen, sieht ein komplettes Verbot der Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen vor. Zur Begründung heißt es, durch die Ausnahmeregelung im Stammzellgesetz, die Forschung an Embryonen zu medizinischen Zwecken zuzulassen, könne der Eindruck entstehen, wissenschaftliche Interessen hätten ein höheres Gewicht als die Achtung der Menschenwürde. Zudem seien seit Beginn der Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen keine Therapien für unheilbare Krankheiten gefunden worden. Federführend ist hier der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe.

Daneben haben rund 150 Abgeordnete aus allen Fraktionen einen Antrag zur Beibehaltung des geltenden Stichtags unterschrieben. Weiterhin wird gefordert, die Bundesregierung solle Forschung mit adulten Stammzellen oder solchen aus Nabelschnurblut fördern. Die Regierung soll sich zudem auf internationaler Ebene für die Forschung mit adulten Stammzellen und eine ethisch begründete Ablehnung der verbrauchenden Embryonenforschung einsetzen. Zu den Unterzeichnern des Antrags gehören Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU), der stellvertretende Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sowie die meisten Grünen-Abgeordneten.

In der fünften Initiative beschränken sich 67 Parlamentarier auf die Straffreiheit von Forschern, die in internationalen Verbünden arbeiten. Das 2002 beschlossene Gesetz habe bei Projekten im Ausland zu Unsicherheiten geführt, die nun beseitigt werden sollten.