Diskussion über Einfluss von Ditib in Deutschland

Erdogan-Staatsbürgerkunde?

In den Bundesländern wird darüber diskutiert, ob die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) von der türkischen Regierung beeinflusst ist. Das könnte sich beispielsweise auf den islamischen Religionsunterricht auswirken.

Islamischer Religionsunterricht  / © Oliver Berg (dpa)
Islamischer Religionsunterricht / © Oliver Berg ( dpa )

Niedersachsens rot-grüne Landesregierung will an den Verhandlungen mit den muslimischen Verbänden über einen Staatsvertrag festhalten. Das erklärte Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) am Dienstag in Hannover. "Gerade in den aktuell angespannten Zeiten" sei ein Zustandekommen der Verträge wichtig.

Zuvor hatte der CDU-Fraktionsvorsitzende Björn Thümler den Ausstieg seiner Fraktion aus den Verhandlungen angekündigt. Als Grund nannte er eine nicht belegte Staatsferne der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib). Diese aber sei "unabdingbare Voraussetzung für ein Zustandekommen der Verträge".

Niedersachsen will Missbrauch des Islam entgegen treten

Die Ditib vertrete nicht nur hier lebende Muslime mit türkischen Wurzeln, sondern werde "in starkem Maße von der türkischen Regierung beeinflusst und gesteuert", so Thümler. Angesichts der aktuellen Situation in der Türkei, die sich auch auf das gesellschaftliche Klima in Deutschland auswirke, sehe seine Fraktion die Ditib "derzeit nicht als geeigneten Verhandlungspartner an".

Heiligenstadt dagegen verwies darauf, dass mit einem Vertrag auch "zwei Bedrohungen des friedlichen Miteinanders in Niedersachsen" entgegengewirkt werden solle. Das eine sei der "Missbrauch des Islam zu extremistischen Zwecken", das andere "die teilweise wahrnehmbare Muslimfeindlichkeit". Die Landesregierung halte es für sinnvoll, beiden Gefahren nachhaltig entgegenzutreten.

Hamburg und Bremen haben Staatsverträge ausgehandelt

Unter den Fraktionen sei verabredet worden, sich nach der Sommerpause über den Entwurfstext auszutauschen, sagte Heiligenstadt. An diese Verabredung werde sich die Landesregierung halten und die Voten der anderen Fraktionen abwarten. Die CDU-Landtagsfraktion hatte zuvor einstimmig beschlossen, sich in dieser Legislaturperiode nicht an weiteren Gesprächen zu Verträgen mit den muslimischen Verbänden Ditib und Schura zu beteiligen.

Bisher haben Hamburg und Bremen einen ähnlichen Vertrag mit muslimischen Verbänden abgeschlossen. Die Kontrakte regeln etwa den Religionsunterricht, die Anerkennung islamischer Feiertage, den Bau von Moscheen und die Trägerschaft von Kindertagesstätten. In Niedersachsen leben rund 300.000 Muslime.

Özdemir gegen Einfluss von Ditib auf Religionsunterricht

Mehrere Politiker hatten in den vergangenen Tagen den Einfluss des türkischen Staats auf Ditib kritisiert. Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir bezeichnete den Verband als deutschen Ableger der türkischen Religionsbehörde Diyanet. Der Verband wies die Vorwürfe zurück: Die Gemeinden der Ditib seien Vereine nach deutschem Recht und stünden nicht in Verbindung zu türkischen Ämtern oder Behörden.

Özdemir verlangt, den Einfluss des Islam-Verbandes Ditib auf den islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen zurückzudrängen. Ditib gehe es "in erster Linie um Politik und nicht um Religion", sagte Özdemir der "Bild"-Zeitung (Mittwochsausgabe). "Ein guter islamischer Religionsunterricht an unseren Schulen wäre äußerst wichtig, aber bitte mit den Werten unseres Grundgesetzes und nicht als Erdogan-Staatsbürgerkunde unter dem Deckmantel der Religion", sagte Özdemir.

In mehreren Bundesländern arbeitet die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) bereits an der Gestaltung des Religionsunterrichts mit. "Dagegen kämpfe ich", sagte Özdemir. Man dürfe nicht zulassen, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan über Ditib seine Ideologie direkt an deutschen Schulen verbreite. Die Imame des Islam-Verbandes sind Beamte des türkischen Staates.

Hessen hält an Ditib als Partner beim Religionsunterricht fest

Das hessische Kultusministerium hält auch nach der jüngsten Entwicklung in der Türkei am Islamverband Ditib als Partner beim islamischen Religionsunterricht fest. Ein Sprecher des Ministeriums nannte auf epd-Anfrage am Dienstag die Diskussion über die türkisch-islamische Ditib in Rheinland-Pfalz zwar verständlich. Dort will die Landesregierung aus SPD, FDP und Grünen kritisch prüfen, ob der Verband noch für einen solchen geplanten Konfessionsunterricht infrage kommt. In Hessen sei die Situation aber nicht vergleichbar, sagte der Sprecher von Kultusminister Alexander Lorz (CDU), Philipp Bender.

Denn in diesem Bundesland gebe es ja schon seit mehr als drei Jahren eine bewährte Zusammenarbeit mit der türkisch-islamischen Organisation. Die Landesregierung überprüfe regelmäßig den von Ditib-Leuten erteilten Religionsunterricht. Dabei habe sich bislang gezeigt, dass es keinen Einfluss des türkischen Staats gebe. Sollte ein solcher festgestellt werden, würde ihn das hessische Kultusministerium auch nicht dulden und unverzüglich eingreifen, sagte Bender. Bislang habe es nie einen Grund für Beanstandungen gegeben.

Seit drei Jahren islamischer Religionsunterricht

In Hessen gibt es seit Beginn des Schuljahrs 2013/14 einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht in den Grundschulen. Er wurde noch zur Zeit der CDU/FDP-Landesregierung unter dem damaligen Integrationsminister Jörg-Uwe Hahn und Nicola Beer (beide FDP) als Kultusministerin eingeführt.

Im gerade zu Ende gegangenen Schuljahr nahmen daran nach Angaben des Kultusministeriums etwas mehr als 2.000 Schülerinnen und Schüler teil. Im kommenden Schuljahr werden noch einmal mehrere Hundert hinzukommen. Partner der Landesregierung sind dabei die Ahmadiyya Muslim Jamaat und die Ditib Hessen. Letztere hat mit rund 90 Prozent dabei den größten Anteil. Laut Bender waren zuletzt landesweit insgesamt 56 Lehrkräfte tätig.


Quelle:
KNA , epd