domradio.de: Warum ist das Thema momentan in Kirchenkreisen in aller Munde?
Jan Hendrik Stens (Liturgie-Redakteur): Ich glaube, das liegt unter anderem daran, dass Papst Franziskus im vergangenen Jahr eine wissenschaftliche Kommission einberufen hat, die die Geschichte des Frauendiakonats untersuchen soll. Dadurch ist noch einmal viel Bewegung in die Diskussion gekommen. Insbesondere diejenigen, die das Diakonat der Frau einfordern, spüren jetzt einen ziemlichen Aufwind. Franziskus hat jedoch die Erwartungen später wieder gebremst und betont, die Kommission solle lediglich die Rolle von Diakoninnen in der frühen Kirche untersuchen.
domradio.de: Früher wurde ja mehr über Frauen als Priester gesprochen. Warum jetzt auf einmal Diakonin statt Priesterin?
Stens: Tatsächlich ist das Thema Frauenpriestertum gar nicht mehr so sehr auf der Tagesordnung. Papst Johannes Paul II. hat seinerzeit die Diskussion darum mit den Worten beendet, die Kirche habe überhaupt nicht die Autorität, Frauen zu Priestern zu weihen. Und auch Papst Franziskus hat vor einiger Zeit zu diesem Thema gesagt, diese Tür sei verschlossen. Demnach konzentrieren sich die Protagonisten jetzt auf das, was wahrscheinlicher umzusetzen ist. Allerdings hat die Theologin Johanna Rahner auch schon deutlich gemacht, dass das Diakonat der Frau nur ein erster Schritt sei. Die Priesterweihe für Frauen sei nur noch eine Frage der Zeit. Wie lang diese Zeit allerdings dauern wird, hat sie nicht gesagt.
domradio.de: Was macht ein Diakon denn überhaupt?
Stens: Der Begriff leitet sich vom griechischen Wort "diakonos" ab und heißt soviel wie "Diener" oder "Helfer". In der Urkirche wirkten Diakone vorwiegend in der Armen- und Krankenpflege oder als Assistenten des Bischofs in der Verwaltung der Gemeinde und beim Gottesdienst. Hier kennen wir vor allem den heiligen Laurentius, der in Rom dieses Amt innehatte. Ab dem frühen Mittelalter verlor das Amt in der Westkirche aber zunehmend seine Eigenständigkeit und wurde zu einer Durchgangsstufe auf dem Weg zur Priesterweihe und dann zur Bischofsweihe. Erst mit der Einführung des ständigen Diakonats nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat das Amt wieder eine gewisse Eigenständigkeit erlangt.
domradio.de: Gegner des Frauendiakonats argumentieren eben mit dieser Vorstufe zum Priester. Ist das nicht mit den ständigen Diakonen obsolet geworden?
Stens: Was die Durchgangsstufe angeht, durchaus schon. Aber es gibt auch das Bild des Priesters und des Diakons als die beiden Arme des Bischofsamtes, also Liturgia und Diakonia. Und da das Bischofsamt männlich ist und wohl auch männlich bleiben wird, sind es dessen Arme auch.
domradio.de: Kardinal Kasper hatte ja bereits einen Vorschlag unterbreitet, ein ähnliches Amt für Frauen einzuführen. Was ist daraus geworden?
Stens: Das war in der Tat ein bemerkenswerter Vorschlag von Kardinal Kasper, den er im Jahr 2013 unterbreitet hat und der auch vom damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, unterstützt wurde. Es sollte allerdings kein Diakoninnenamt analog zum männlichen Diakonenamt sein, sondern etwas Eigenständiges in der Art einer "Gemeinde-Diakonin" oder "Diakonisse", die es ja auch in der evangelischen Kirche gibt. Allerdings hätte dieses Amt dann auch keine Weihe wie die der männlichen Diakone beinhaltet. Befürworter des Frauen-Diakonats sprachen daher von einer "Diakonin light" und lehnten den Vorschlag von Kardinal Kasper ab.
domradio.de: Und was wird aus dem Ringen um weibliche Diakoninnen werden?
Stens: Die von Franziskus einberufene Kommission hat lediglich den Auftrag, rein wissenschaftlich zu ergründen, welche Rolle Diakoninnen in der frühen Kirche gespielt haben. Damit wird keine Empfehlung verbunden sein. Auch ist das Ergebnis der Kommission nicht für die Öffentlichkeit, sondern nur intern für den Papst bestimmt. Die Mitglieder der Kommission haben sich zum Schweigen verpflichtet. Daher werden wir keine öffentliche Stellungnahme zu hören bekommen. Ich halte es daher für problematisch, sich bereits im Vorfeld so stark festzulegen oder einseitig kirchenpolitisch zu agitieren, als müsse das Vorgehen einen ganz bestimmten Verlauf nehmen oder eben nicht nehmen. Da rate ich zu etwas mehr Gelassenheit und Vertrauen auf den Heiligen Geist. Letztendlich liegt es an Papst Franziskus selbst, was daraus wird. Und der hat uns ja immer wieder mit der einen oder anderen Entscheidung überrascht.
Das Interview führte Heike Sicconi.