"Immer mehr Menschen, besonders auch in den christlichen Kirchen, wollen den Auszug der Empathie aus den öffentlichen Diskussionen um die Flüchtlingspolitik nicht länger hinnehmen. Die Entwicklungen der letzten Tage machen dieses Anliegen umso dringlicher", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Donnerstag, ohne den Innenminister direkt zu nennen.
Abschiebung statt Rettung gelte als Erfolg
Seehofer hatte mit Äußerungen über den jüngsten Abschiebeflug nach Afghanistan teils empörte Reaktionen ausgelöst. "Es ist eine Atmosphäre entstanden, in der nicht die Rettung des Lebens von Menschen als Erfolg gesehen wird, sondern ihre Abschiebung in möglichst großer Zahl", sagte Bedford-Strohm.
"Als Christen glauben wir, dass jeder Mensch geschaffen ist zum Bilde Gottes." Wer den christlichen Glauben ernst nehme, müsse in seinem öffentlichen Reden und in seinem politischen Handeln die damit verbundene Achtung vor jedem Menschen zum Ausdruck bringen.
Politiker von Grünen, FDP und Linken verlangten daraufhin den Rücktritt des Ministers. Der Vizepräsident des Deutschen Bundestags, Thomas Oppermann, bezeichnete Abschiebungen als ernsthafte Angelegenheit. Damit mache man keine Späße, sagte der SPD-Politiker der "Welt".
"Offensichtlich falsch im Amt"
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Seehofer sei ganz offensichtlich in seinem Amt moralisch überfordert und schlicht ungeeignet, seine Aufgaben verantwortungsvoll zu erfüllen.
Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen (FDP), sagte im "Tagesspiegel", der Innenminister sei aufgrund seiner zynischen Äußerungen "offensichtlich falsch im Amt".
Seehofer hatte am Dienstag bei der Vorstellung seines "Masterplans Migration" verkündet, dass am 4. Juli – dem Tag seines 69. Geburtstages – 69 Flüchtlinge nach Afghanistan abgeschoben worden seien. Das sei von ihm so nicht bestellt worden, liege aber "weit über dem, was bisher üblich war". Einer der Afghanen nahm sich in Kabul das Leben.
Seehofer: Suizid "zutiefst bedauerlich"
Am Mittwochabend bezeichnete Seehofer den Suizid als "zutiefst bedauerlich", lehnte aber einen Rücktritt ab. Der Flüchtling sei von der Stadt Hamburg für die Abschiebung gemeldet worden. Man müsse die Hamburger Behörden fragen, "warum sie diese Person vorgeschlagen haben".
Unterdessen kritisierte der frühere bayerische Kultusminister Hans Maier (CSU) erneut seine Partei. Ihr sei die christliche Wertorientierung abhanden gekommen, sagte der frühere Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken im DOMRADIO.DE-Interview.
Das zeige sich auch in der Sprache: "Wenn man dann von Asyltourismus spricht, wirkt das wie eine zynische Verhöhnung", so Maier. Am Mittwoch hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Landtag erklärt, er wolle den umstrittenen Begriff nicht mehr verwenden.