Hilfswerke kritisieren Seehofers "Masterplan Migration"

"Dokument der Abschottung"

Nach langem Warten ist er nun vorgestellt - der "Masterplan Migration" von Bundesinnenminister Seehofer. Bei Hilfswerken kommt das Werk nicht gut an. Von einem "Debakel für die Humanität" und einem "Dokument der Abschottung" ist die Rede.

"Masterplan Migration" der CSU / © Stephan Jansen (dpa)
"Masterplan Migration" der CSU / © Stephan Jansen ( dpa )

Nichtregierungsorganisationen wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Caritas kritisieren den von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vorgestellten "Masterplan Migration". Er setze auf Abschottung, Verschärfungen für Asylbewerber und unterscheide nicht zwischen Flüchtling und Migrant, auch wenn Asylverfahren beschleunigt und verbessert werden sollten. Zudem sieht der Plan mehr Hilfen für die Heimatländer und Durchreiseländer vor, damit Flüchtlinge nicht nach Europa weiterziehen.

UNHCR begrüßte, dass die Qualität und das Tempo von Asylverfahren verbessert werden solle. "Der Grundtenor dieses Papiers ist jedoch bedenklich", sagte der deutsche UNHCR-Vertreter Dominik Bartsch. Im Vordergrund stünden Verschärfungen.

Die Caritas, Diakonie und Brot für die Welt kritisierten, dem Plan fehle die Humanität. Unicef und Save the Children zeigten sich besorgt, wegen einer angemessenen Versorgung minderjähriger Flüchtlinge in Ankerzentren. Auch Pro Asyl übte deutliche Kritik: Seehofer wolle damit Deutschland aus dem internationalen Flüchtlingsschutz weitgehend herauslösen.

"Fluchtursachenbekämpfung bleibt hilflose Floskel"

"Die Humanität suchen wir bei den zahlreichen neu geschaffenen Sanktionen und Restriktionen vergeblich, sagte Caritas-Präsident Peter Neher der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Dienstag. Aus Sicht der Caritas ist der Masterplan "eine Aneinanderreihung vager Absichtsbekundungen, Wiederholung altbekannter Forderungen und einzelner Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag".

Bedauerlichweise seien zudem nicht die aktuellen Vereinbarungen der Koalition eingearbeitet. "Statt für Klarheit zu sorgen, entstehen so neue Fragen", sagte Neher und fügte hinzu: "Das zentrale Problem ist, dass der Eindruck vermittelt wird, Migration steuern und kontrollieren zu können." Arbeitsmigration ließe sich steuern, aber bei der Fluchtmigration sei das ohne Verstöße gegen humanitäre Werte kaum möglich.

"Fluchtmigration darf nicht unterbunden werden und auch die Forderung nach Fluchtursachenbekämpfung bleibt eine hilflose Floskel. Die Flucht vor einem Krieg wie beispielsweise in Syrien kann nicht mit Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit kurzfristig verhindert werden", sagte Neher.

Bundesregierung trage Scheuklappen

Klaus Seitz, Leiter der Politikabteilung von "Brot für die Welt", erklärte am Dienstag in Berlin, der Masterplan sei ein "Debakel für die Humanität": "Zahlreiche Verschärfungen gegen Schutzsuchende werden postuliert, während kaum ein Wort darüber verloren wird, welche Verantwortung Deutschland gegenüber Flüchtlingen hat."

Er fügte hinzu, es sei keinesfalls so, dass die Mehrzahl der Flüchtlinge von Süden in den reichen Norden wandert. Die Hauptlast schulterten die armen Staaten selbst. "Es muss auch eine Aufgabe deutscher Politik sein, sie bei dieser Aufgabe zu unterstützen." Doch die Bundesregierung "legt im Angesicht der globalen Herausforderungen unserer Zeit einfach die Scheuklappen an".

Die Referentin für Migration der Organisation, Sophia Wirsching, wies auf eine "dramatische Leerstelle des Masterplans" hin. Das sei die Seenotrettung. "Gefordert wird Sicherheit an den Grenzen, doch von den humanitären Verpflichtungen gegenüber den Verzweifelten, die über das Mittelmeer flüchten, ist nicht die Rede."

Völlig falsche Richtung

Auch das Kinderhilfswerk "terre des hommes" kritisierte den vorgestellten Masterplan scharf. Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der neueinreisenden Flüchtlinge seit 2015 in Deutschland und Europa deutlich gesunken sei, gehe der Plan in eine völlig falsche Richtung, sagte Vorstandssprecher Albert Recknagel am Dienstag in Osnabrück.

"Minister Seehofer will offensichtlich nicht wahrhaben, dass viele Asylsuchende als Flüchtlinge anerkannt werden. Als Innenminister wäre es seine Aufgabe, endlich die Voraussetzungen für eine gelingende Integration zu schaffen und diese nicht systematisch zu blockieren", so Recknagel.

Knapp die Hälfte der neuankommenden Flüchtlinge seien Kinder und Jugendliche. Anstatt ihre besondere Schutzbedürftigkeit ernst zu nehmen, wolle der Minister die Rechte von Flüchtlingen auf ein absolutes Minimum reduzieren. Recknagel kritisierte erneut die geplanten Ankerzentren. "Mit den Ankerzentren wird geflüchteten Minderjährigen vermittelt, dass sie bei uns nicht willkommen sind. Dies ist der denkbar schlechteste Start für ein Leben in Deutschland überhaupt."

Asylkompromiss mit der SPD unberücksichtigt

Seehofer hatte nach langem unionsinternen Streit seinen Masterplan zur Migration vorgestellt. Das 63 Punkte umfassende Papier sieht unter anderem die Einrichtung sogenannter Ankerzentren vor, in denen Asylbewerber das gesamte Verfahren durchlaufen sollen, sowie zahlreiche Verschärfungen im Asylverfahren und eine stärkere Bekämpfung von Fluchtursachen.

"Das ist nicht ein Masterplan der Koalition, sondern der Masterplan meines Hauses", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Dienstag in Berlin. Stand des Plans sei der 4. Juli, und es sei nicht vorgesehen, ihn fortzuschreiben. Daher seien zwar die letzten Absprachen mit der CDU, nicht aber der Asylkompromiss mit der SPD enthalten.

So findet sich im Masterplan weiterhin der Begriff der "Transitzentren", der im Asylkompromiss der Koalition nicht mehr enthalten ist. Er müsse seinen Plan sonst aufgrund der raschen Entwicklung nahezu täglich fortschreiben, so Seehofers Begründung. Auch wisse er nicht, ob die Koalitionspartner alle Punkte in der Umsetzung mittrügen. Er werde jetzt auf alle Partner zugehen – in der Koalition, in den Ländern und in Europa.

Einschränkungen bei Sozialleistungen

Der "Masterplan Migration" sieht deutliche Verschärfungen des Asylrechts in Deutschland vor. Wie aus dem am Dienstag in Berlin vorgestellten Papier hervorgeht, plant Seehofer unter anderem starke Einschränkungen bei den Sozialleistungen für Flüchtlinge sowie Sanktionen, wenn Asylbewerber nicht an ihrem Verfahren mitwirken. Änderungen will Seehofer auch bei der Abschiebehaft durchsetzen.

Der Masterplan sei Bestandteil der Asylwende, die dringend notwendig sei, und sei ein Gesamtkonzept. "Es ist höchste Zeit, dass wir den Plan Schritt für Schritt umsetzen", so Seehofer. Ende des Jahres werde es dann ein Paket über die Umsetzung des Migrationsplans geben.

Der Plan spiegele die Balance zwischen "Ordnung und Humanität" wieder. "Wir wollen die Integration von Menschen mit Bleiberecht, aber auch Integration kann nur gelingen mit einer Begrenzung der Zuwanderung", so Seehofer. Daher brauche es eine konsequente Durchsetzung des Rechts. Hier habe Deutschland großen Nachholbedarf.

Schwerpunkt liegt auf nationalen Maßnahmen

Seehofer bekräftigte, dass er keinen Gegensatz zwischen nationalen und europäischen Lösungen sehe. "Auch wir bevorzugen europäische Lösungen." Er ergänzte aber auch: "Je weniger Europa leisten kann, desto mehr gewinnen nationale Maßnahmen an Bedeutung." Weit mehr als die Hälfte der Punkte im "Masterplan" beschäftigt sich mit nationalen Maßnahmen.

Aus seiner Sicht sei die Chance auf die geplanten Ankerzentren, in denen Asylbewerber das gesamte Verfahren durchlaufen sollen, stark gestiegen, sagte Seehofer. Die Rückführung sogenannter Dublin-Fälle – Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind – solle aus diesen Zentren geschehen.

Der Plan sollte bereits vor vier Wochen vorgestellt werden. Die Präsentation wurde damals wegen eines Streits mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) abgesagt. Dabei ging es um die von Seehofer geplanten Zurückweisungen von Flüchtlingen, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben.


Horst Seehofer präsentiert "Masterplan Migration" / © Kay Nietfeld (dpa)
Horst Seehofer präsentiert "Masterplan Migration" / © Kay Nietfeld ( dpa )

"Brot für die Welt" / © Jörg Sarbach (epd)
"Brot für die Welt" / © Jörg Sarbach ( epd )

Seit 50 Jahren gibt es terre des hommes Deutschland / © Christian Jungeblodt/terre des hommes
Seit 50 Jahren gibt es terre des hommes Deutschland / © Christian Jungeblodt/terre des hommes
Quelle:
KNA , epd