DOMRADIO.DE: Sieben Tore gab es gestern im Spiel Frankreich gegen Argentinien. Es war seit langem das beste Spiel, das ich gesehen habe. Vier zu drei haben die Franzosen gewonnen. Waren Sie auch so begeistert von dem Spiel?
Schwester Katharina Hartleib (DOMRADIO.DE-"Fußballnonne"): Ja, ich fand auch, es war ein wundervolles Spiel. Ich hatte schon getippt, dass Frankreich gewinnt, aber dieses Hin- und Herwogen und dieses immer Nachsetzen, dieses Immer-weiterspielen-wollen und das nicht aufgeben, das hat mir sehr gefallen.
Ich habe die zweite Halbzeit kaum gesehen, weil wir dann Vesper hatten und anschließend zum Gottesdienst gegangen sind. Als ich dann gesehen habe, dass Frankreich vier zu drei gewonnen hat, da hab' ich gedacht: Wow, sieben Tore! Das hatte ich dann doch nicht erwartet.
DOMRADIO.DE: Das war schon großartig. Es war ein Spiel frei von taktischen Zwängen. Wie sie schon sagen, das ging hin und her. Das war schön anzugucken, oder?
Schwester Katharina: Ja, mir hat sehr gefallen, dass die jungen Burschen aus Frankreich so ungehindert aufgespielt haben. Wenn man den Mbappé so gesehen hat, das war ein Traum dem zuzuschauen. Mit seiner Geschwindigkeit hat er ja alle in Grund und Boden gerannt. Das war wunderbar!
DOMRADIO.DE: Danach gab es dann das Spiel Uruguay gegen Portugal. Die Portugiesen sind ausgeschieden, haben das Spiel eins zu zwei verloren gegen die Südamerikaner. Cristiano Ronaldo ist also raus, genauso wie vorher schon Lionel Messi mit Argentinien. Die WM findet jetzt ohne die Superstars statt. Wie geht es weiter?
Schwester Katharina: Wir haben den Fall, den Deutschland 2014 stark gemacht hat: Jetzt haben die Mannschaften eine Chance, die nicht immer auf diese Superstars gucken und die nicht ihr Spiel nur auf diesen lenken.
Man merkte gestern, dass die Mitspieler immer Ronaldo gesucht haben. Das hat nicht funktioniert, weil der mit zwei, drei Leuten zugestellt worden ist.
Ich bin total gespannt auf Mannschaften, bei denen das nicht so ist. Ich muss gestehen, dass ich wirklich gedacht hatte , Portugal würde gewinnen und ich bin nicht böse, dass Uruguay gewonnen hat. Die haben einen Kampfgeist gezeigt, der mir unglaublich gefallen hat.
DOMRADIO.DE: Andererseits ist es ja auch so, dass Ronaldo seine Mitspieler gesucht und möglicherweise auch gefunden hat, dann kam eben nicht so viel. Das ist ja auch das Problem. Er ist der Top-Star, aber das Drumherum: Na ja.
Schwester Katharina: Ja, obwohl mir Portugal schon in der Vorrunde gefallen hat. Sie waren entschieden besser als bei der Europameisterschaft, wo ich mich heute noch aufregen kann, dass sie Europameister geworden sind, trotz dieser verkorksten Vorrunde. Wer nicht geschlagen wird, der kann auch Europameister werden.
Aber das ist genau das Problem. Die portugiesische Mannschaft war dieses Jahr eigentlich viel besser, aber es war zu sehr auf Ronaldo zugeschnitten.
DOMRADIO.DE: Schauen wir nach vorne. Heute um 16 Uhr spielt der Gastgeber vor 80.000 Zuschauern in Moskau: Russland gegen Spanien. Normalerweise würde man ja sagen, das ist eine klare Sache für die Spanier, aber die Russen haben bislang durchaus ein paar gute Spiele gezeigt in der Vorrunde. Ist das auch für sie heute eine offene Partie?
Schwester Katharina: Ja, ich wundere mich über die Russen, weil sie in der ganzen Vorrunde und den Spielen davor so schlecht gespielt haben, dass ich immer gedacht habe: "die armen Ausrichter". Wenn so ein Ausrichter so früh ausscheidet, das wäre ja schade.
Und ich wundere mich jetzt, dass sie in der Vorrunde so gut sind. Von daher tippe ich schon, dass Spanien gewinnt, aber es könnte sehr spannend werden.
DOMRADIO.DE: Dann haben wir noch ein wunderbares Spiel um 20 Uhr. Der für mich geheimste Geheimfavorit aller Geheimfavoriten: Kroatien gegen Dänemark. Auch da würde ich sagen, die Kroaten haben eine super Vorrunde gespielt und Dänemark hat sich da so reingemogelt in das Achtelfinale. Sind die Kroaten der Favorit?
Schwester Katharina: Für meine Begriffe schon, aber Dänemark ist eben eine von diesen Wundertüten. Die haben uns ja schon mal sehr überrascht bei einer Europameisterschaft, als sie aus dem Urlaub kamen und dann Europameister geworden sind. Von daher kann ich mir mittlerweile richtig viel vorstellen.
Wenn ich unser Tippspiel angucke, dann sehe ich, dass ich so ganz hinten herumdümpele, weil ich immer daneben tippe. Das ist das Überraschende und Schöne beim Fußball: Man kann es nie voraussagen.
DOMRADIO.DE: Sie können ja noch die große Aufholjagd starten, oder?
Schwester Katharina: Ja, ich bemühe mich redlich.
DOMRADIO.DE: Wir müssen noch mal ganz kurz auf die deutsche Mannschaft gucken. Bundestrainer Jogi Löw will nächste Woche sagen, wie es mit ihm weitergeht oder nicht. Das Präsidium des DFB ist schon vorgeprescht und hat gestern gesagt: Wir sind alle dafür, dass Jogi weitermacht. Vielleicht muss das Team um ihn herum verändert werden. Vielleicht helfen jüngere Spieler, die er ja im vergangenen Jahr schon im Confed-Cup getestet hat. Was meinen Sie?
Schwester Katharina: Ich würde ihm raten aufzuhören. Er hat unglaubliche Jahre gehabt, hat Deutschland zu unglaublichen Erfolgen geführt. Aber dieses Festhalten an den Weltmeistern, sich nicht zu trauen, die Confed-Cup-Leute wirklich in die Mannschaft zu holen, den Sané zu Hause zu lassen, das ist ein Unding.
Wenn jemand so lange das gleiche macht, ist es glaube ich besser, dass es jemand Neues macht, der fachlich gut ist. Ob es den gibt, das weiß ich nicht. Von der fachlichen Qualität halte ich ihn für toll, aber es braucht jetzt jemanden der Motivator ist und jungen Leuten etwas zutraut.
Das Interview führte Carsten Döpp.