Montag, 24.07.2017
Wie passt ein modernes Volksfest eigentlich zu einem Gottesdienst, der fast komplett in Latein gehalten wird? Fragt man die Paderborner, ist die Antwort ganz einfach: "Libori ist, wenn sich Bratwurstgeruch und Weihrauch miteinander mischen.“ Und das ist wortwörtlich gemeint: Nach der heiligen Messe zieht die Prozession mit dem Reliquienschrein über die gesamte Kirmes, vorbei an Schaustellern und Imbissbuden.
Für diesen einen Moment hält dann alles inne. Die Besucher legen ihre Gewehre am Schießstand beiseite, höchstens die Bratwurst wird auf dem Grill noch einmal gedreht, damit sie nicht verkohlt. Die Leute falten ihre Hände, drehen sich zur Prozession und werden andächtig. Oder zücken ihr Handy, um die Prozession mit mehreren hundert Teilnehmern aufzunehmen.
Libori gilt in der 150.000-Einwohner-Stadt als fünfte Jahreszeit, so wie im Rheinland der Karneval und im Erzgebirge die Adventszeit. Was es allerdings einmalig macht: Der Mix aus kirchlichen Feierlichkeiten und weltlichem Fest. Inklusive verkaufsoffenem Sonntag, der ja eigentlich ein Ruhetag sein soll.
Sonntag, 23.07.2017
1000 Kilometer mit dem Rad fahren, nur um Libori in Paderborn mitzumachen? Diese Reise haben zwölf Junge Leute aus Le Mans angetreten, um die Partnerschaft der beiden Städte aufzufrischen. Im Schlepptau und festgeschnallt auf einem Fahrradanhänger die Heiligenfigur von Liborius, die die Paderborner 1986 den Franzosen schenkten.
"Diese Freundschaft verbindet unsere Städte schon so lange, deshalb ist es etwas Besonderes hierhin zu kommen", erzählte Antoine Clement, der die zweiwöchige Tour der deutsch-französischen Jugendgruppe mitmachte. Immerhin ist die Städtefreundschaft die vermutlich älteste Welt.
Die Liborius-Reliquien, die beim Libori-Fest verehrt werden, gelten als Grundstein für den "Liebesbund ewiger Bruderschaft" der beiden Kirchen.
Ohne Libori keine Freundschaft
Diese Tradition ist auch heute noch zu spüren, allerdings weniger bei den jungen Menschen. Deshalb wollen Clement und seine Freunde, die sich vergangenes Jahr beim Weltjugendtag kennengelernt haben, auch für die Jüngeren wieder aufleben lassen. Die Franzosen knien im morgendlichen Sonntagsgottesdienst neben den Paderbornern, der Fahrrad-Liborius streckt vor ihnen die Arme aus. Ihn ziehen sie in der anschließenden Prozession auch durch die gesamte Innenstadt.
Wiedersehen werden sie sich nicht erst in einem Jahr, sondern schon im Januar. Dann reisen die Paderborner zum Juliansfest nach Le Mans. "Ohne die beiden großen Feiern würde unsere Begegnung nicht funktionieren", sagt Clement.
Samstag, 22.07.2017 - Eröffnung
Die Blechbläser brüllen so laut, dass sich die Geistlichen davor die Ohren zuhalten müssen. Selbst meterweit entfernt, wo die Gemeinde sitzt, fährt der Libori-Tusch noch ins Mark. Die Bänke, die Luft, der ganze Paderborner Dom vibriert. Keine Wunder, dass Fremde nicht verstehen, was die Leute beim Libori-Fest fasziniert. Man muss es erleben.
Stammgast
Achim Dertschej (72) kommt seit knapp 40 Jahren in den Dom. Immer derselbe Platz, rechts vorne an der ersten Säule. Um den sicher zu haben, setzt er sich schon zwei Stunden vorher dorthin. Wer zu spät ist, muss stehen. Viele sogar direkt vor einer Säule – weshalb es für die rund 5000 Besucher mittlerweile Fernsehbildschirme gibt, von denen sie das Spektakel verfolgen können. Dertschej nennt es sogar "fulminantes Spektakel", auch wenn er findet, dass das für die Verehrung eines Heiligen etwas zu flapsig klingt.
"Hier machen die Katholiken mal ne richtige Fete, sowas prunkvolles bekommt man sonst ja nur im Vatikan zu sehen", erzählt er. "Wenn der Libori-Tusch ertönt und der Schrein aus der Krypta getragen wird, merkst du, dass der Verein noch lebt." Da interessiert auch niemanden die stickige Luft im Dom, die Kondenswasser von der Decke des alten Gemäuers tropfen lässt. Sobald der goldene Schrein auf dem Altar steht, ist alles andere Nebensache.
In den nächsten Tagen berichtet Nicolas Ottersbach weiter von den Feierlichkeiten rund um das Libori-Fest im Erzbistum Paderborn.