DOMRADIO.DE: Für die Premiere wird jetzt in Bonn zusammen mit deutschen Jugendlichen intensiv geprobt. Was bedeutet den kolumbianischen Jugendlichen denn diese Reise nach Bonn?
Rita Baus (Künstlerische Leiterin des Projekts "Beethoven Moves!"): Unendlich viel. Jeden Tag sprechen sie mich an und sagen immer wieder "Danke, dass wir das erleben dürfen." Mit anderen Bonner Jugendlichen gemeinsam zu tanzen, zu rappen, Musik zu machen, gemeinsam mit Musikern des Beethoven-Orchesters die fünfte Sinfonie neu zu interpretieren, und zwar mit ihren Erfahrungen von der Straße. Das sind ja alles Kinder und Jugendlichen aus Kolumbien, die schwer erreichbar sind. Das sind ehemalige Kindersoldaten und Kinder aus den Armenvierteln. Für die wird natürlich ein Traum wahr.
DOMRADIO.DE: Welche Idee steckt hinter dem Projekt "Beethoven Moves!"?
Baus: Die Don Bosco Mission hat mich vor ein paar Jahren mal gefragt, ob ich eine Idee hätte, wie man die Pädagogik von Bosco verbinden könnte mit Kultur. Denn wir wissen ja, dass jede "Botschaft" immer eine Wirkung haben wird, wenn sie durch Kultur gegeben wird. Kultur ist Emotion.
Kultur ist viel zeigen dessen, was in mir drin ist. Das heißt, es geht hier wirklich darum, die Möglichkeit zu schaffen, wieder zu träumen. Und zwar für alle, die beteiligt sind. Auch die Musiker des Beethoven Orchesters, die 2019 mit in Medellín waren, sagen: Diese Zeit mit den Jugendlichen, diese Arbeit mit Beethovens fünfter Sinfonie hat uns verändert. Das hat auch verändert, dass wir heute die fünfte Sinfonie anders spielen als damals.
DOMRADIO.DE: In der Show verbindet sich klassische Beethoven-Musik mit der Musik und dem Tanz der Straßenkinder. Wie kann man sich das vorstellen?
Baus: Wir haben einen Regisseur, Anselm Dalferth, der das inszeniert hat. Es werden Szenen zu sehen sein, die Jugendlichen in Medellín auf der Straße erleben, die Bonner Jugendliche erleben. Das wird ein kleiner Prolog sein, damit man darauf eingestimmt wird, wenn dann das "Ta-ta-ta-taa" ertönt, was ja die ersten Töne der fünften Sinfonie sind. Warum die Fünfte? Die fünfte wird ja die sogenannte Schicksalssinfonie genannt, und für alle ist es schicksalhaft gewesen, in Bonn und Medellín zu sein.
DOMRADIO.DE: Was hoffen Sie denn, können oder werden die jungen Performer aus Deutschland und Kolumbien in ihren Alltag mitnehmen?
Baus: Erstmal war es für mich total faszinierend, als die Kolumbianer das erste Mal auf die Bonner Jugendlichen getroffen sind. Die sprechen gar nicht dieselbe weltliche Sprache, sage ich mal. Die einen sprechen nur Spanisch und die andere nur Deutsch und ein bisschen Englisch. Wir haben innerhalb von kürzester Zeit zusammen eine Choreografie entwickelt und haben die erst mal gezeigt. Damit haben sie schon mal eine gemeinsame Sprache gehabt.
Das heißt, sie lernen voneinander, ohne dass wir es lernen müssen. Sie lernen oder erfahren Zuversicht. Sie sind etwas wert, sie können etwas bekommen, sie bekommen Mut, können sich etwas selbst zutrauen, kriegen Zuversicht, entwickeln Selbstbewusstsein. Das heißt, es ist für ihre gesamte persönliche Entwicklung eine Erfahrung, die sie mitnehmen, die sich vielleicht bei dem einen oder anderen dadurch widerspiegelt, dass sie vielleicht wirklich später mal junge Menschen zum Tanzen oder zum Musizieren bringen oder für ihr Leben einfach eine wichtige Ressource ist, die sie entwickeln können und auch erfahren.
Das Interview führte Tobias Fricke.