Paula White versteht als Pfingst-Predigerin genügend von der Bibel, um Donald Trump mit der Passion Christi in Verbindung zu bringen. "Sie haben über ihn gelogen, ihn verleumdet, versucht ihn aus dem Amt zu entfernen, ihn ins Gefängnis zu werfen und jetzt haben sie versucht, ihn zu töten", schreibt die ehemalige Leiterin des für Religion zuständigen Büros im Weißen Haus auf der Plattform X. Begleitet wird ihr Plädoyer von einer Bildmontage, auf der Jesus dem Ex-Präsidenten die Hände auf die Schultern legt.
Und auch der führende Republikaner Mike Johnson, Sprecher des Repräsentantenhauses und erzkonservativer Christ, zog nach dem Attentat von Butler im US-Bundesstaat Pennsylvania eine Parallele zur Leidensgeschichte Christi. Trump sei die "meist verfolgte, am meisten angegriffene politische Figur" in Amerika, erklärte Johnson und fügte an: "Ich glaube, Gott hat ihn gerettet."
Trump der Märtyrer
Den Nimbus des Heilsbringers hatte Donald Trump unter seinen Anhängern schon lange inne. Nicht umsonst zählen die weißen Evangelikalen insbesondere in den Südstaaten zu den entschiedensten Unterstützern des Ex-Präsidenten, der sich selbst keiner festen Glaubensgemeinschaft zuordnen lässt.
Und doch hat diese Verklärung seit dem Wochenende noch eine neue Qualität bekommen. Aus Donald Trump dem Hoffnungsträger wird Donald Trump der Märtyrer, der - obwohl getroffen - dennoch die Faust gen Himmel streckt und seine Gefolgschaft zum Kampf aufruft - für Amerika.
Einschwören auf den Glauben am Parteitag
Die Kanonisierung des Überlebenden des Attentatsversuchs setzt sich nun auch auf dem viertägigen Parteitag der Republikaner in Milwaukee fort, der am Montag beginnt. "Es war Gott allein, der das Undenkbare verhindert hat", lässt der designierte Kandidat die 50.000 Parteitags-Delegierten vor seiner Ankunft in einem langen Post wissen.
Und weiter: "Wir werden uns nicht fürchten, sondern unverwüstlich bleiben in unserem Glauben und trotzig im Angesicht des Frevels." Auch die für Donnerstag geplante Rede zur offiziellen Annahme der Präsidentschaftskandidatur werde nun komplett umgeschrieben, kündigte er in seinem ersten Interview nach dem Anschlag im "Washington Examiner" an. Statt dem Rächer der Verachteten wolle sich Trump als von Gott gesalbter Retter Amerikas und der Welt präsentieren.
Bei seinen Unterstützern rennt er damit offene Türen ein. "God, Guns and Trump" (Gott, Schusswaffen und Trump) lautet etwa ein Slogan, der von Anhängern des Ex-Präsidenten im Wahlkampf genutzt wird. Das mag nun im Bezug auf "Guns" zunächst ironisch erscheinen, da eine Schusswaffe Trump fast getötet hätte, auf den zweiten Blick jedoch nur folgerichtig, da der Schuss zu seiner metaphorischen Auferstehung als Blutzeuge führte - schließlich beten Christen auch unter dem Kreuzzeichen.
Weg von der Polarisierung?
Verantwortlich für diese Neuausrichtung ist insbesondere Trumps Wahlkampfmanager Chris LaCivita. Der löschte einen Post nach dem Anschlag, in dem er den Demokraten die Schuld für den Mordversuch in vorwarf und erkannte eine weitaus größere Chance. In einem Memo an das Wahlkampfteam, dass dem Magazin "Politico" vorliegt, warnt er vor Schnellschüssen: "Bitte seht von Kommentaren des heutigen Geschehens ab", heißt es darin. Es solle die "politische Polarisierung dieses aufgeheizten Wahlkampfes" beachtet werden. "Wir verurteilen alle Formen der Gewalt und wir tolerieren keine gefährliche Rhetorik in den sozialen Medien."
LaCivita näherte sich damit dem Tenor an, wie ihn auch neutrale Institutionen, wie die katholischen Bischöfe des Landes verwendeten. Diese beteten in ihrer ersten Stellungnahme nach dem Attentat für ein "Ende der politischen Gewalt". Und auch Trumps Konkurrent und Amtsinhaber Joe Biden forderte in einer Ansprache aus dem Oval Office mehr Zivilisiertheit im Umgang miteinander. Die Zeit sei gekommen, "die Temperatur in unserer Politik zu senken".
Ob dies gelingt, bleibt angesichts der tiefen Animositäten und Polarisierung eine Herausforderung. Zweifel scheinen berechtigt, wiedie Äußerungen des katholischen Präsidenten der Trump-nahen Denkfabrik "Heritage Foundation" nahelegen. Kevin Roberts machte die "radikale Linke" für das Klima verantwortlich, das zu dem Anschlag auf Trump geführt habe. Die Gläubigen müssten "für ein Ende dieser hetzerischen Rhetorik der Linken und deren Komplizen in den Medien beten".