Ulmer Rassismusdebatte um die Krippenfigur des Melchiors

Drei Heilige Könige müssen draußen bleiben

Die Figur des Königs Melchior wurde in den 1920er Jahren geschnitzt - mit stark überzeichneten Lippen und Feder-Kopfschmuck. Eine Stereotype, wie sie auch in anderen Krippen vorkommt. In Ulm will man das nicht mehr hinnehmen.

Einer der Drei Heiligen Könige wird meist mit stereotypen Merkmalen dargestellt / © Zvonimir Atletic (shutterstock)
Einer der Drei Heiligen Könige wird meist mit stereotypen Merkmalen dargestellt / © Zvonimir Atletic ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Die Krippe des Ulmer Münsters zeigt die Drei Heiligen Könige. Einer der drei Weisen aus dem Morgenland wird mit schwarzer Hautfarbe dargestellt - wie das in vielen anderen Krippen auch der Fall ist. Doch der Dekan des Ulmer Münsters sagte, dass es sich um eine problematische Darstellung handele. Die Figur, vor rund 100 Jahren geschnitzt, unterstreiche Stereotype, die man heute als rassistisch bezeichnen muss, betonte er. Stecken hinter dieser Darstellung rassistischen Motive?

Prof. Manfred Becker-Huberti (Brauchtumsforscher): Der Schwarze ist nicht schwarz, um ihn damit irgendwie abzuwerten, sondern der Schwarze ist schwarz, weil er eben einen Mann aus Afrika darstellt. Insofern ist das völlig in Ordnung. Wird der Schwarze dargestellt wie der sogenannte "Sarotti-Mohr", also mit aufgeworfenen Lippen und bunt gekleidet, als einen halb zivilisierten "Wilden", dann ist das stereotyp und problematisch.

DOMRADIO.DE: Die Krippenfigur zeigt den schwarzen König mit Brezel in der Hand, wulstigen Lippen, Leibesfülle und Goldreifen an den nackten Fußknöchel. Weil das rassistisch geprägte Stereotype zeigt, ist es dann richtig, gleich alle Drei Heililgen Könige aus der Krippe zu verbannen?

Becker-Huberti: Das Ganze ist, sagen wir mal, ein bisschen grenzwertig. Aus heutiger Sicht würde man so etwas mit Sicherheit nicht mehr tun. Die Ulmer mussten jetzt entscheiden, ob sie diese Figur aus der Krippendarstellung hinauswerfen. Sie haben sich erst einmal entschlossen, die drei Könige bei der Krippe nicht mehr aufzustellen. Auf diese Art und Weise ist natürlich die Krippe unvollständig.

DOMRADIO.DE: Nach Weihnachten soll in Ruhe und öffentlich diskutiert werden, wie es mit den Krippenfiguren weitergeht. Haben Sie einen Vorschlag für die Ulmer?

Becker-Huberti: Ich plädiere dafür, die Figur weiter zu verwenden und darauf hinzuweisen, wann sie entstanden ist und warum sie so aussieht, wie sie aussieht. Wir ändern rassistische Einstellungen nicht dadurch, dass wir Figuren aus dieser Zeit vernichten und diese Diskussion nicht weiterführen. Es ist klüger, solche Dinge zu erhalten, die Geschichte nicht rückwirkend zu ändern und in der Gegenwart darüber zu diskutieren, warum wir das heute so nicht mehr machen und warum wir es anders darstellen würden. Ich glaube, dass ist effektiver und sinnvoller. 

Das Interview führte Hilde Regeniter. 

Krippe

Krippen sind Futtertröge. In der Heiligen Schrift werden sie im Zusammenhang mit der Geburt Jesu erwähnt. Beim Evangelisten Lukas heißt es: Maria "gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war." 

Als Krippe wird auch die ganze figürliche Darstellung der Geburtsszene bezeichnet. Erstmals als Abbildung des Geburtsgeschehens Jesu sind Krippen im 16. Jahrhundert in Italien und Spanien nachweisbar, bald darauf auch in Süddeutschland. 

Krippendarstellung der Heiligen Familie / © Annamaria Zappatore (shutterstock)
Krippendarstellung der Heiligen Familie / © Annamaria Zappatore ( shutterstock )


 

Quelle:
DR