Dreikönigswallfahrt feiert ökumenischen Gottesdienst

Von der Kraft des Gebetes

Am zweiten Tag der Dreikönigswallfahrt gab es bei einem ökumenischen Gottesdienst der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen sehr unterschiedliche Zeugnisse zu den Fragen, wann und wie man betet und wie das Beten zum Leben gehört.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Das Kölner Ökumene-Kreuz wurde einst von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen bei Raphael Seitz in Auftrag gegeben. / © Tomasetti (DR)
Das Kölner Ökumene-Kreuz wurde einst von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen bei Raphael Seitz in Auftrag gegeben. / © Tomasetti ( DR )

„Wenn et Bedde sich lohne däät, wat meinste wohl, wat ich dann bedde däät. Ohne Prioritäte, einfach su, wie et köhm, fing ich ahn, nit bei Adam un nit bei Unendlich, trotzdäm: jeder un jedes köhm draan. Für all dat, wo der Wurm drin, für all dat, wat mich immer schon quält, für all dat, wat sich wohl niemohls ändert. Klar – un och für dat, wat mer jefällt."

Wolfgang Niedecken, Gründer der Kölsch-Rock-Band BAP mit katholischer Prägung, hat diesen Songtext in den 80er-Jahren geschrieben. Gültigkeit hat er auch noch 40 Jahre später. Und berühren tut er allemal, schließlich gehört Beten, das Zwiegespräch mit Gott, für den gläubigen Menschen zu seiner Alltagspraxis.

Vertreter aller Christlichen Kirchen in Köln nahmen am Gottesdienst im Rahmen der Dreikönigswallfahrt teil. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Vertreter aller Christlichen Kirchen in Köln nahmen am Gottesdienst im Rahmen der Dreikönigswallfahrt teil. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Wie sehr und in welcher individuellen Ausformung zeigten bei einem ökumenischen Gottesdienst der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) im Rahmen der Dreikönigswallfahrt, für den die Veranstalter die erste Liedzeile als Überschrift gewählt hatten, die Ordensfrau Ancilla Wißling vom Kölner Karmel Maria vom Frieden, die evangelische Pfarrerin Dr. Dorothea Ugi aus Köln-Nippes und die Caritas-Referentin Dr. Brigitte Saviano.

Gemeinsam und Gegenseitig

Erzpriester Volodymyr Chayka von der ukrainisch-orthodoxen Kirche. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Erzpriester Volodymyr Chayka von der ukrainisch-orthodoxen Kirche. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Wie kostbar das gemeinsame Gebet ist, betont gleich bei der Begrüßung im Hochchor des Domes Kölns Stadt- und Domdechant Monsignore Robert Kleine. Mit Blick auf den Schrein der Dreikönige hatten sich dort die Vertreterinnen und Vertreter der ACK, unter ihnen auch Erzpriester Volodymyr Chayka aus der ukrainisch-orthodoxen Kirche und Abuna Gerges Tawadras von der koptisch-orthodoxen Gemeinde versammelt. Mit einem Hinweis auf die Heiligen Drei Könige, die aufgebrochen seien, um das Kind in der Krippe anzubeten, erklärte Kleine: "Auch wir sind hier zusammengekommen, um gemeinsam zu beten und beschenken uns gegenseitig mit unserem Gebet."

Dass Beten ein "Herz öffnendes, ganz einmaliges Beziehungsgeschehen" sei, das "lebenslang wachsen und sich ins tiefere, weitere 'Mehr Gottes' wandeln wolle, das uns ahnen macht, wie sehr alles mit allem zusammenhängt", stellt Schwester Ancilla Wißling in den Vordergrund ihres Impulses. Sie nimmt Bezug auf das zuvor aus dem Lukasevangelium vorgetragene Verlangen der Jünger, als sie Jesus im Gebet erleben, selbst auch beten lernen zu wollen.

Näherungen an Gott

Die Karmelitin Ancilla Wißling beschreibt Beten als ein Verweilen bei einem Geliebten. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Karmelitin Ancilla Wißling beschreibt Beten als ein Verweilen bei einem Geliebten. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

"Sind wir nicht alle von derselben Sehnsucht beseelt?", fragt die Karmelitin daraufhin in die Runde. Jeder Mensch, die gesamte Schöpfung habe Anteil am Beten Jesu, unterstreicht sie. "Er nimmt uns alle mit zum Vater: zu seinem und zu unserem Vater. Und dieses 'mit' ist eine Umschreibung für das Wesen Gottes." Jeder Mensch trage in sich die Begabung, sich dem innewohnenden Gottgeheimnis zu öffnen und dem "Dir" näher zu sein als sich selbst.

Sr. Ancilla Wißling

"Ich kann also bei Jesus einfach verweilen, so wie ich bin: froh oder traurig, wütend oder erheitert, fragend oder nur einfach da, schweigend, wie Liebende, ohne viele Worte."

Dann erinnert sie an Teresa von Avila, die spanische Karmelitin aus dem 16. Jahrhundert, die Beten so definiert: "Sich gern und oft bei dem aufhalten, von dem ich mich geliebt weiß wie bei einem Freund." Für sich leitet Schwester Ancilla daraus ab: "Ich kann also bei Jesus einfach verweilen, so wie ich bin: froh oder traurig, wütend oder erheitert, fragend oder nur einfach da, schweigend, wie Liebende, ohne viele Worte. 

Mit Augustinus und Buber

Vielleicht wiederhole ich ein bekanntes Gebet, einen Psalm, ein Schriftwort, vielleicht nur den Namen 'Jesus Christus' oder nur 'Jesus' oder vielleicht nur diese zwei Buchstaben 'Du'." Die Ordensfrau zitiert Augustinus: "Hast du immer Sehnsucht, so betest du immer". Aber auch Martin Buber, der sich nach dem allgegenwärtigen "Du" Gottes verzehrt und von dem sie abschließend ein Gebet spricht.

Die evangelische Pfarrerin Dr. Dorothea Ugi spricht von ihren Erfahrungen mit dem Beten. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die evangelische Pfarrerin Dr. Dorothea Ugi spricht von ihren Erfahrungen mit dem Beten. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Von ihren Erfahrungen in einer charismatischen Gemeinde in Süddeutschland, in der Beten extrem wichtig gewesen sei, wie sie sagt, berichtet dann die Kölner Pfarrerin Dorothea Ugi. "Beten hatte eine klar vorgegebene Form. Mit gefalteten oder offenen Händen, die Augen zu. Bitten und Danken. Hoffen, dass Gott das Schicksal immer zum Guten für einen wendet. Hoffen, dass Gott antwortet." 

Entwicklungen

Trotz angestrengten Hinhörens, ob Gott auch zu ihr spreche und nicht nur sie zu Gott, sei sie jedoch meist verzweifelt gewesen, "weil das mit der Kommunikation nicht ganz so gut geklappt hat wie bei den anderen". Inzwischen, räumt sie offen ein, sei sie nicht mehr Teil dieser Gemeinschaft. "Es hat mich zu viel gekostet, als Frau, als queere Person, als Mensch. Mein Gottesbild ist ein anderes geworden und ich bete heute anders."

Dr. Dorothea Ugi

"Ich weiß, dass alle anderen genauso geliebt sind. Egal wie sie aussehen, wo sie herkommen, was sie tun, wen sie lieben, wer sie sind."

So versuche sie nicht mehr, "Gott zu meinem Vorteil zu beeinflussen, ihn davon zu überzeugen, wie es gut für mich und die Welt wäre", bekennt sie. Stattdessen sitze sie nur da und atme ohne Erwartungen und lasse Worte, die in ihrem Inneren auftauchten, weiterziehen. "Ich öffne mich dem Universum, das wir auch Gott nennen. Und wenn es so kommt, werde ich in meinem Innersten berührt. Lasse mich frei im Himmel wiegen, der mich hier und jetzt umgibt."

"Ich weiß, dass ich nicht alleine bin"

Wenn sie dann wieder aufstehe und in die Welt hinausgehe, so Seelsorgerin Ugi, "dann weiß ich, dass ich nicht alleine bin, dass ich da sein darf und geliebt bin. Anders als das früher war. Einfach so. Und ich weiß, dass alle anderen genauso geliebt sind. Egal wie sie aussehen, wo sie herkommen, was sie tun, wen sie lieben, wer sie sind. Von der göttlichen Kraft, die uns zu ihrem Ebenbild geschaffen hat."

Caritas-Referentin Dr. Brigitte Saviano berichtet aus ihrem Arbeitsalltag, warum Menschen beten. / © Beatrice Tomasetti (DR)
Caritas-Referentin Dr. Brigitte Saviano berichtet aus ihrem Arbeitsalltag, warum Menschen beten. / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Aus welcher Motivation heraus Menschen überhaupt beten, schildert Brigitte Saviano aus ihrer langjährigen spirituellen Arbeit mit Caritas-Mitarbeitenden. Mit ihnen behandelt die katholische Theologin, die im Rhein-Erftkreis für Caritaspastoral und da speziell für Fortbildung zuständig ist, Fragen des Glaubens, aber auch interreligiöse und ethische Themen, zumal diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Caritas-Einrichtungen oft ganz nah Menschen in Krankheit und Pflegesituationen, aber auch bei Krisen und am Lebensende begleiteten, wie sie berichtet.

Gebets- und Glaubenszeugnisse

Dazu gehöre, so Saviano, den Menschen in seiner Ganzheit zu sehen, ihn in seinem Dasein und Gewordensein wahrzunehmen und seine Biografie, seine Welt und Spiritualität kennenzulernen. Dann zitiert die Caritas-Referentin aus einer Sammlung von Antworten, die sie einmal von den Kolleginnen und Kollegen auf die Frage bekommen hat: Warum beten Sie?

"Wenn ich bete, komme ich runter, um Kraft zu sammeln."

"Manchmal sage ich – auch bei der Arbeit: Oh, mein Gott, bitte hilf mir!"

"Wenn Bewohnerinnen und Bewohner wünschen, dass ich mit ihnen bete, sehe ich, wie zufrieden sie das macht."

"All die Dinge, die ich am Tag während der Pflege nicht verarbeiten kann, schreibe ich am Abend auf und teile sie Gott mit."

"Wenn Menschen in die Beratungsstelle kommen und auf die letzte Hilfe angewiesen sind – und nicht immer kann man ihnen helfen – bringe ich das ins Gebet."

"Das gemeinsame Mittagsgebet im Wohnbereich unseres Altenheims ist etwas Besonderes. Und es zeigt unsere Dankbarkeit."

Sie selbst, so resümiert Saviano nach dem Vortrag all dieser authentischen Bekenntnisse, fühle sich beschenkt durch das Glaubenszeugnis der anderen, das dann auch Teil ihres Betens werde.

Die Gründe zu beten, aber auch die einzelnen Gebetszugänge und -formen, das wird in dieser ökumenischen Feier deutlich, sind so verschieden wie die Menschen selbst. Diese persönlichen Zeugnisse machen zugleich aber auch Mut, von dieser Glaubenspraxis nicht abzusehen oder sie in ihrem ganzen Reichtum gar neu für sich zu entdecken. Denn eins ist zweifelsohne allen Menschen, die sich Gott zuwenden und anvertrauen, gemein – an diesem Nachmittag im Kölner Dom und zu jeder Zeit überall auf der Welt – wie es Wolfgang Niedecken in seiner letzten Liedstrophe treffend auf den Punkt bringt: "Mir sinn all zosamme om Kreuzwääsch, etwa do, wo mer’t dritte Mohl fällt." Auf Hochdeutsch: "Wir sind alle zusammen auf dem Kreuzweg, etwa da, wo man das dritte Mal fällt."



Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Köln gestaltet diesen Gottesdienst, der in Gebärdensprache übersetzt wird. Impulse: Schwester Ancilla Wißling, Pfarrerin Dorothea Ugi, Brigitte Saviano.

Stadt- und Domdechant Msgr. Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti (DR)
Stadt- und Domdechant Msgr. Robert Kleine / © Beatrice Tomasetti ( DR )

Vom 26. bis zum 29. September lädt das Metropolitankapitel zur alljährlichen Dreikönigswallfahrt. Vier Tage lang heißt der Kölner Dom in Heiligen Messen, Andachten und zahlreichen Gottesdienstangeboten Pilgerinnen und Pilger aus Köln, dem Erzbistum und darüber hinaus willkommen.

Leitwort der diesjährigen Dreikönigswallfahrt ist in diesem Jahr das Ende des Matthäus-Evange-liums: "Ich bin bei euch alle Tage!" (Mt 28,20) Denn, so Stadtdechant Robert Kleine, "gerade inmitten der Krisen und Negativschlagzeilen der heutigen Zeit kann uns diese Zusicherung Trost sein. Jesus ist und bleibt als der Lebendige bei uns. Wir dürfen ihn beim Wort nehmen und uns getragen wissen. Zugleich sollte uns Jesu Zusage auch Ermutigung und Ansporn sein, für die Bewahrung der Schöpfung und eine friedlichere Welt einzutreten."

Bereits im Mittelalter kamen Wallfahrer aus ganz Europa um den Drei-königenschrein zu besuchen. Ausgerechnet mit der Feier zum 700-jährigen Jubiläum der Überführung der Gebeine der Heiligen Drei Könige in den Kölner Dom, endeten die Wallfahrten im Jahr 1864. Erst 2005 mit dem Weltjugendtag in Köln wurde die Wallfahrt zum Dreikönigenschrein wieder aufgenommen. Seitdem findet die Dreikönigswallfahrt immer um den 27. September im Kölner Dom statt.

Die Kölner Kathedrale ist im Erzbistum Ziel für gleich zwei Wallfahrten. Einerseits die Wallfahrt nach Köln zu den Reliquien der Heiligen Drei Könige. Andererseits die Wallfahrt im Dom selbst. Der Pilgerweg innerhalb des Domes steht auch im Mittelpunkt der Drei­königswallfahrt. Dieser traditio-nelle Pilgerweg findet im Chorraum des Hochaltars statt und hat insgesamt sechs Stationen.

Quellen: Erzbistum Köln; Kölner Dom