Düsseldorfer Pastoralreferent bekommt als Seelsorger keine Krise

Umbruch statt Drama

Freie Christen haben auch die freie Wahl dem Gottesdienst fernzubleiben, sagt Pastoralreferent Martin Kürble nüchtern. Selbst Schlager sind für ihn im Gottesdienst kein Problem. Ein Interview über das Ende der Volkskirche.

Pastoralreferent Martin Kürble (DR)
Pastoralreferent Martin Kürble / ( DR )

domradio.de: Wie dominant ist die Krise in ihren Pfarreien?

Martin Kürble (Pastoralreferent in der Seelsorgeeinheit Düsseldorfer Rheinbogen): Wir nehmen das natürlich wahr, wir sehen auch Kirchenaustritte, wir lesen Zeitungen, sehen Fernsehen, sind im Internet, aber die konkrete Krise ist bei uns kein alltägliches Thema, das ist nicht der Fall. Wir sehen natürlich eine Entwicklung, dass wir von heute an in den nächsten 30 Jahren eine Menge ändern müssen. Das sehen wir als unsere Herausforderung und Aufgabe. Das macht gerade die aktuelle Situation total spannend.

domradio.de: Sie sagen spannend, es kann einen aber auch in die Verzweiflung bringen. Ein Beispiel dafür ist Pfarrer Frings aus dem Bistum Münster. Er hatte genug von glaubensfernen Katholiken und von Pastoralkonzepten, die seiner Meinung nach nicht radikal genug waren. Als Sie von ihm via Facebook gehört haben, haben Sie ihm da in einigen Punkten Recht gegeben?

Kürble: Natürlich gibt es im Alltag wie aber in jedem Beruf und in jedem Leben schwierige Situationen, natürlich kriegen wir auch manchmal Rückmeldungen wie "Menschenskinder, Kirche, das ist ja wirklich der letzte Laden!", aber das sind persönliche Einschätzungen. Das greift mich nicht so an, dass es an meinem Sein in der Gemeinde, an meinem Tun, an meinem Leben, an meinem Feiern in der Gemeinde etwas ändert. Das ist eine persönliche Reaktion von diesem Pfarrer. Ich gehe für mich anders damit um.

domradio.de: Pfarrer Frings hat ja offenbar eine Braut "den Rest gegeben", als sie unabgesprochen bei der Hochzeit ein Lied von Helene Fischer gesungen hat. Haben Sie auch schon sehr eigene Dinge bei z.B. Beerdigungen erlebt?

Kürble: Ich habe bei Trauerfeiern schon alles gehört, Trude Herr, Unheilig und Joe Cocker und das Skurrilste war mal ein plattdeutsches Lied von einer Schellackplatte überspielt. Trotzdem bleibt das die Feier dieser Menschen.

Wenn Helene Fischer einfach mehr die Sprache dieser Brautleute spricht und ihre Emotionen anspricht, dann ist das so. Wir müssen uns eher fragen, warum sprechen denn unsere Lieder die Menschen nicht auf die Art und Weise an? Warum erreichen wir denn nicht die Emotionen bei den Menschen, mit der Sprache, die wir sprechen? Ich finde, das ist eine viel spannendere Frage.

domradio.de: Ich habe die ganze Zeit versucht, Sie in eine Krise reinzureden (lacht), aber es gelingt mir nicht. Ist in dem Zusammenhang vielleicht besser zu sagen, es findet ein großer Umbruch statt?

Kürble: Ja, es ist ein ganz deutlicher Umbruch, aber dieser Umbruch besteht ja nicht erst seitdem Pfarrer Frings aus dem Dienst gegangen ist, dieser Umbruch besteht im Grunde genommen schon seit den 60er Jahren, seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Damals hat die Kirche die Türen und die Fenster aufgemacht, damit frischer Wind hereinkommt. Wenn ich Türen aufmache, muss ich damit leben, dass Menschen durch diese Tür rausgehen.

Im Grunde genommen ist das seit dieser Zeit so und das ist auch in Ordnung. Gott möchte keine eingeschlossenen Christen, sondern er möchte freie Christen, die sich frei für ihn entscheiden und auch frei für den Gottesdienst entscheiden. Woran wir uns aber gewöhnen müssen, ist, dass dieses Denken der Volkskirche, auch das Denken der Vollversorgung sich eben ändert. Da muss sich was tun. Wir haben für unseren Seelsorgebereich im Düsseldorfer Süden damit angefangen, alles auf den Prüfstand zu stellen und Dinge auch einfach zu lassen, die überhaupt nicht mehr der Zeit entsprechen und zu gucken, was brauchen denn die Menschen.

Das Interview führte Mathias Peter.


Gläubige im Gebet / © Harald Oppitz (KNA)
Gläubige im Gebet / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR