Der Aufruf des Papstes an Italiens Priester in Zeiten der Corona-Krise war unmissverständlich: "Mögen Sie den Mut haben, hinauszugehen zu den Erkrankten, um ihnen die Kraft des Wortes Gottes und die Eucharistie zu bringen", sagte er zu Monatsbeginn. Die Worte fielen, kurz nachdem Ministerpräsident Giuseppe Conte das ganze Land zu einer riesigen Seuchensperrzone erklärt hatte. Seither sind Tausende Menschen gestorben.
Totenglocken stehen kaum noch still
Auch die katholische Kirche verzeichnet im Kampf gegen die Pandemie schwere Verluste. Mehr als 30 Priester sind in Italien bereits an den Folgen der Viruserkrankung gestorben. Viele von ihnen waren dem Appell von Franziskus gefolgt und wollten den Gläubigen in schwerer Zeit beistehen. Nicht nur Ältere sind unter den Opfern; im Bistum Parma starb jüngst ein Seelsorger mit 55 Jahren. Angesteckt hatte er sich wahrscheinlich bei einer infizierten Seniorin, die er betreute.
Die meisten Toten hat das lombardische Bistum Bergamo zu beklagen. In der norditalienischen Provinz starben bereits 16 Geistliche; insgesamt sind mehr als 5.000 Infektionsfälle registriert. Die Bilder aus der Gegend sorgen weltweit für Entsetzen: Militärtransporter müssen reihenweise Särge mit Lastwagen abtransportieren, weil die örtlichen Krematorien überfüllt sind. Kliniken sehen aus wie Schlachtfelder. Die Totenglocken stehen kaum noch still.
Eng an der Seite der Menschen
Inmitten all dieser Not versucht die Kirche - trotz Ausgangssperren und Ansteckungsgefahr - eng an der Seite der Menschen zu bleiben. Einer, der diesem Engagement ein Gesicht gibt, ist der 84-jährige Aquilino Apassiti. Er ist Krankenhausseelsorger in Bergamos Hospital Giovanni XXIII. In mehreren Telefoninterviews schilderte er dieser Tage die dramatische Lage: "Die Menschen sterben allein, ohne dass jemand kommen kann, um Abschied zu nehmen."
Er habe den Zweiten Weltkrieg miterlebt; bei einem Einsatz im Amazonasgebiet habe er sich mit Lepra und Malaria auseinandersetzen müssen - "aber ich habe noch nie solch schockierende Szenen erlebt wie jetzt", so der Kapuziner. In der Klinik könne er nur mit Schutzmaske arbeiten. Das sei für ihn eine große Einschränkung, weil er den Patienten "nicht mal ein Lächeln" schenken könne. Mehr als einige kurze trostspendende Worte seien wegen der strikten Schutzvorschriften meist nicht möglich.
Besonders schmerze ihn, erzählt Apassiti, dass die Angehörigen keine Möglichkeit hätten, ihre Toten von Angesicht zu Angesicht zu betrauern. Er versuche dann, die Familien mit dem Smartphone zu kontaktieren, um gemeinsam mit ihnen ein Gebet zu sprechen. Zu einer Witwe habe er am Telefon gesagt: "Ich stehe hier am Sarg Ihres Mannes, wir beten nun zu Gott, und der Herr wird Sie in ihrem Schmerz trösten." Dann seien er und die Frau in Tränen ausgebrochen.
"Wahres Heldentum" und "tiefe Hingabe"
Kurienkardinal Angelo Comastri sagte kürzlich, die Priester von Bergamo seien ein Beispiel für "wahren Heldentum". Ordensmann Apassiti bleibt bescheiden: Als Held fühle er sich nicht. Er bewundere vielmehr die Ärzte und Krankenschwestern. "Es ist schrecklich, ihre Gesichter mit den Furchen der Masken zu sehen; sie arbeiten acht Stunden am Stück - fast ohne zu atmen." Um sich selbst mache er sich weniger Gedanken, Angst vor dem Virus habe er ohnehin nicht. "Ich bin 84 Jahre alt, wieso sollte ich mich sorgen?"
Unterdessen teilte Bergamos Bischof Francesco Beschi am Samstag mit, dass mehrere weitere infizierte Priester im Krankenhaus behandelt werden müssten. Bei einigen sei die Lage ernst. Beschi sprach von einem Zeichen "tiefer Hingabe". Ihr Ziel sei gewesen, den Schmerz der Kranken zu teilen. "Ich bin überzeugt, dass die Not, die wir erleben, unser Herz für das Licht und die Kraft des Heiligen Geistes öffnet", so der Bischof entschlossen. Angst sei fehl am Platz. "Die verstorbenen Seelsorger spornen uns zu noch größerer Hingabe an Gott und die Menschen an