Die nach dem Staatsstreich in Niger verhängten Sanktionen haben gravierende Folgen für die dortige Bevölkerung. Bereits vor dem Putsch am 26. Juli waren in dem Land nach UN-Angaben 3,3 Millionen Menschen von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen. Bleiben die Sanktionen bestehen, wird sich die Lage weiter verschärfen.
Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas hatte die Strafmaßnahmen verhängt, um die Junta um General Abdourahmane Tiani zum Einlenken zu zwingen und die Freilassung von Präsident Mohamed Bazoum zu erwirken. Erfolgreich war das bisher nicht. Bazoum wird weiter festgehalten und soll nach dem Willen der Junta wegen Hochverrats angeklagt werden.
Zivilbevölkerung leidet
Die Sanktionen treffen allerdings die Zivilbevölkerung. Die katholische Bischofskonferenz im Nachbarland Benin fordert deshalb, die Maßnahmen, wozu beispielsweise Grenzschließungen gehören, zu beenden oder zumindest zu entschärfen. Schon jetzt leide Niger unter Armut und Elend. Im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen belegt das Land Platz 189 von 191.
Über Sanktionen und deren Auswirkungen sprach in Nigeria nun auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schule (SPD) mit Ecowas-Präsident Omar Touray. Schulze ist Präsidentin der Geberländer-Gruppe "Sahel-Allianz" und betonte, im Zentrum müsse eine friedliche Lösung stehen. Nach Mauretanien besucht sie am Mittwoch und Donnerstag Nigeria.
Normaler Alltag trotz Staatsstreich
Im Krisenland Niger, das seit seiner Unabhängigkeit 1960 von Frankreich bereits seinen fünften Staatsstreich erlebt, kehrt derweil trotz neuer Ausnahmesituation recht schnell wieder Alltag ein. "Als humanitäre Organisation ist es uns gelungen, einige Tage nach dem Staatsstreich wieder unsere Arbeit aufzunehmen", sagt Paolo Cernuschi, Landesdirektor des International Rescue Committee (IRC), der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Dennoch sind die Konsequenzen des Putsches nicht zuletzt für die Hilfsorganisation allgegenwärtig. "Aufgrund der geschlossenen Grenzen können Mitarbeiter nicht zurück ins Land kommen." Der Ernährungssektor ist von den Grenzschließungen betroffen, medizinische Produkte können ebenso wenig importiert werden. "Aktuell können wir arbeiten", so Cernuschi. Ändere sich die Situation nicht, könne es mittelfristig zu Engpässen kommen.
Erhöhte Lebensmittelpreise
Unklar ist außerdem, ob und wann es Einschränkungen bei der Bargeldversorgung gibt. Nach einem anfänglichen Ansturm auf Banken habe sich die Lage zwar beruhigt. Ein kontinuierlicher Zugang sei aber für Cash-Transfer-Programme wichtig, sagt Cernuschi. Sie werden zunehmend genutzt, um Haushalte in Notlagen schnell und unbürokratisch zu unterstützen.
Zu beobachten sind überdies Preissteigerungen bei Lebensmitteln. Nach Angaben des Welternährungsprogramms stieg der Preis für Reis in der Woche nach den angekündigten Sanktionen um 17 Prozent. Wenn Ware, etwa aus dem Nachbarland Nigeria nicht mehr nach Niger kommen, erhöhen sich die Preise für die noch vorhandenen Vorräte.
Beeinträchtigungen von Hilfswerken
Das katholische Hilfswerk Misereor sieht auch wegen der heiklen Sicherheitslage die Arbeit von Partnerorganisationen im Niger zunehmend beeinträchtigt. Am Donnerstagmorgen sagte Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel: "Der Zugang zu benachteiligten Bevölkerungsgruppen in abgelegenen Regionen wird komplizierter und riskanter, die für die Arbeit notwendigen Ausrüstungen, Strom und Treibstoff werden knapper."
Auch gebe es immer wieder Angriffe auf Mitarbeitende und Versuche bewaffneter Gruppen, Fahrzeuge und Materialien zu entwenden.
Erster Terroranschlag
Am Dienstag kam es unterdessen zum ersten Terroranschlag seit dem Putsch. In der Region Tillaberi im Südwesten, die an die Nachbarländer Mali und Burkina Faso grenzt, wurden nach Angaben der Armee 17 Soldaten ermordet und 20 verletzt. In dieser Region unweit der Hauptstadt Niamey ist vor allem die Terrorgruppe Islamischer Staat aktiv.
Auch wenn dem Niger keine unmittelbare Militär-Intervention mehr bevorsteht und sich Berichten zufolge auch die Afrikanische Union gegen eine solche aussprach, treffen sich am Donnerstag und Freitag die westafrikanischen Armeechefs. Ihr Ziel: Sie wollen gemeinsam über die Aufstellung einer Einsatztruppe beraten.