Der 88-jährige Muszynski äußerte sich gegenüber der katholischen Nachrichtenagentur KAI. Der Säkularisierungsprozess verlaufe hier nicht so heftig wie in manchen Ländern Westeuropas. "Ich stimme jenen Soziologen zu, die sagen, dass wir eher den Weg Italiens als der Niederlande oder Irlands gehen werden", so der Alterzbischof.
Auf Bedürfnisse junger Menschen eingehen
Zugleich bedauerte er, dass sich immer mehr Schüler in Polen vom Religionsunterricht abmeldeten: "Mit Demut müssen wir zugeben, dass wir als Geistliche zu einem großen Teil versagt haben und den Erwartungen der Jugend nicht gerecht werden konnten." Priester sollten auf die Bedürfnisse und Hoffnungen junger Menschen eingehen und deren Probleme bis zu einem gewissen Grad teilen, um glaubwürdig zu sein, so Muszynski. Hier reichten Worte nicht aus.
Schwächung von Kirche und Staat droht
Der Alterzbischof kritisierte eine Instrumentalisierung der katholischen Kirche durch Politiker und eine Parteinahme einiger Priester für die nationalkonservative Regierung. Deshalb sei "die Kirche im Bewusstsein eines großen Teils der Gesellschaft mit einer Partei verbunden". Fehlender Respekt für die Autonomie und Unabhängigkeit von Staat und Kirche sei "sehr gefährlich", betonte er. Dadurch drohe eine Schwächung sowohl der Kirche als auch des Staates.
Muszynski war von 1992 bis 2010 Erzbischof im westpolnischen Gnesen (Gniezno). Das Amt des Primas (Ehrenoberhaupts) der katholischen Kirche in Polen ist seit 2009 wieder automatisch mit dem Bischofssitz in Gnesen verknüpft.