Ein Besuch beim spanischen Volksfest "Mauren und Christen"

Glaube und Freudenrausch

Das spanische Städtchen Villena feiert vom 4. bis 9. September nach der pandemiebedingten Pause wieder das Volksfest der "Mauren und Christen". Hinter dem Feierexzess stehen Geschichte und Glaube.

Autor/in:
Andreas Drouve
Mauren und Christen - das spanische Volksfest  / © Andreas Drouve (KNA)
Mauren und Christen - das spanische Volksfest / © Andreas Drouve ( KNA )

Die stillen Momente beim Volksfest der "Mauren und Christen" sind selten, aber es gibt sie: wenn man zwischendurch im Zentrum von Villena in die Jakobskirche huscht und dem Bildnis der städtischen Schutzpatronin seine Verehrung bezeugt. Es ist "Unsere liebe Frau der Tugenden", die in mütterlicher Fürsorge das Jesus-Kind in Händen hält. Draußen in den Straßen aber lassen es die Spanier zu Ehren ihrer Heiligen buchstäblich krachen.

15.000 Teilnehmer, sieben Stunden lang

So wie Maria Jose Domene, die am Marienfesttag Mariä Geburt am 8. September mit einer historischen Büchse auf den Rathausplatz zieht und inmitten eines Schießtrupps eine Freudensalve nach der nächsten abfeuert. Ein Gehörschutz ist dabei unverzichtbar. Die Schutzbrille, die sie trägt, stammt aus einem landläufigen Baumarkt. Für die 45-jährige Verwaltungsangestellte ist das Mauren-und-Christen-Fest "pure Emotion", wie sie sagt, und ihr liebster Programmpunkt der sogenannte Große Einzug am 5. September.

Ein kostümierter Maure mit Turban beim Umzug des Festes der Mauren und Christen / © Andreas Drouve (KNA)
Ein kostümierter Maure mit Turban beim Umzug des Festes der Mauren und Christen / © Andreas Drouve ( KNA )

Dann ziehen 15.000 kostümierte Teilnehmer etwa sieben Stunden durch die Straßen und untermauern, dass man bei den Feierlichkeiten andere Maßstäbe anlegen muss als gewohnt. Denn das Fest in Villena ist von der Teilnehmerzahl her das größte seiner Art in Spanien – und feiert nun nach zwei Jahren Pandemie-Zäsur gewissermaßen Wiederauferstehung.

Mittelalterliche Schlachttriumphe 

Hinter den Festen der "Mauren und Christen" (span.: "Moros y Cristianos"), die im Frühjahr und Herbst vor allem im Mittelmeerraum stattfinden, stehen ernste Hintergründe: Blutvergießen und Tragödien.

Sie erinnern an Kämpfe und Schlachtentriumphe aus dem Mittelalter.

Damals besiegten die christlichen Spanier, die oft alles andere als christlich agierten, die muslimischen Glaubensfeinde. Die Fremden hatten sich ab 711, aus Nordafrika kommend, auf der Iberischen Halbinsel ausgebreitet – bis zu den Vertreibungen, die schubweise erfolgten. Der heilige Apostel Jakobus fungierte als Patron der "Reconquista", der "Rückeroberung" der Territorien aus maurischer Hand.

Bei Festen wie in Villena geht es jedoch nicht um Gewinner und Verlierer oder um eine nachhaltige Demonstration religiöser Macht.

Muslime halten sich raus

Sieger ist das Publikum, dessen Lieblinge bei den Umzügen kurioserweise die "Mauren" sind. Die verkleideten Darsteller begeistern mit ihren Outfits aus Pluderhosen, Turbanen, Schnabelschuhen. – Muslime identifizieren sich mit den ausgelassenen Feiern freilich nicht. Aber es gibt ihrerseits auch keine Stimmen dagegen; sie halten sich einfach raus.

Vierzehn Festvereine – jeweils sieben "Mauren" und sieben "Christen" – bilden das Gerüst des Festes. Sie sind auch außerhalb der tollen Tage der soziale Kitt, der das Städtchen im Hinterland der Costa Blanca zusammenhält. Eine "Konkurrenz der Vereine untereinander" gebe es nicht, unterstreicht Maria Jose Domene, die zum Verein der "Neuen Mauren" gehört. Doch das ist nicht ganz wahr.

Volle Kirchen

Denn beim "Großen Einzug" ab dem Nachmittag des 5. und dem "Großen Umzug" am Abend des 6. September versucht jeder, sich auf der knapp zwei Kilometer langen Strecke in den Vordergrund zu spielen, die anderen auszustechen: in einem Rausch der Kostüme und Farben, unterlegt von Dutzenden Kapellen, die für schier endlose Beben sorgen. Pauken werden auf Handwagen vorangezogen und bis zum Exzess geschlagen, die lauten Melodien vibrieren. Es regnet Konfetti. Reiter stellen ihre Pferde auf die Hinterbeine. Zur Ruhe kommt man beim sechstägigen Programm nur bei den Messen, wo sich die Bänke bis zum letzten Platz füllen – was auch im heutigen Spanien eine Ausnahme ist.

Ein kostümierte Frau mit Federkopfschmuck beim Umzug des Festes der Mauren und Christen / © Andreas Drouve (KNA)
Ein kostümierte Frau mit Federkopfschmuck beim Umzug des Festes der Mauren und Christen / © Andreas Drouve ( KNA )

Vorfreude auf nächstes Jahr

Die Realgeschichte bleibt beim Fest außen vor. Dass sich die "Bekehrung des Maurenführers zum Christentum", wie es am Abend des 8. September in der Jakobuskirche nachgestellt wird, nie so abgespielt hat, stört niemanden. Ein Mauren-und-Christen-Fest wie das in Villena gibt einen idealen Vorwand, um einmal so richtig abzufeiern.

Überraschen muss, dass dahinter trotz allem ein großes Maß an Ernsthaftigkeit steht. "Niemand sollte uns fragen, ob wir uns verkleiden. Nein, wir verkleiden uns nicht, wir kleiden uns. Das ist ein Teil von mir", stellt Maria Jose Domene klar. Geht das Fest am 9. September zu Ende, empfindet sie Wehmut. Aber schon einen Tag später überwiege die Vorfreude auf die Feiern im kommenden Jahr.

Quelle:
KNA