Ein Drittel mehr antisemitische Straftaten

Mehr auf jüdische Perspektiven hören

Nach Ansicht des Antisemitismusbeauftragte müssen jüdische Perspektiven stärker in gesellschaftliche Debatten einbezogen werden. Das sei Teil eines geplanten nationalen Strategieplans, der im Bundeskabinett beschlossen werden soll.

Demonstration gegen Judenhass und Antisemitismus / © Christoph Soeder (dpa)
Demonstration gegen Judenhass und Antisemitismus / © Christoph Soeder ( dpa )

Das kündigte der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein am Dienstag in Berlin an. Israelbezogener Antisemitismus habe auch eine Ursache in "fehlenden jüdischen Perspektiven". Verschwörungsmythen nähmen zu.

Gewalt gegen Jüdinnen und Juden habe in Deutschland eine "lange und unheilvolle Kontinuität", so Klein. Alleine 2021 habe es 3.027 registrierte antisemitische Straftaten in Deutschland gegeben. Das sei ein Anstieg um ein Drittel zum Vorjahr und der höchste Stand seit Beginn der Erfassung. 84 Prozent der Straftaten gingen auf rechtsextreme Täter zurück. Antisemitismus habe aber viele Gesichter und beginne "nicht erst bei einer Straftat", so Klein.

Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung: Felix Klein / © Rene Bertrand (dpa)
Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung: Felix Klein / © Rene Bertrand ( dpa )

Gedenken des Anschlags von Halle

Der Antisemitismusbeauftragte äußerte sich zum Abschluss der Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus, die die Amadeu Antonio Stiftung vom 9. Oktober bis zum 9. November veranstaltete.

Die beiden Tage sind die Gedenktage des Anschlags auf die Synagoge in Halle vor drei Jahren und der nationalsozialistischen Judenpogrome 1938.

Tahera Ameer, Amadeu Antonio Stiftung

"Langsam gehen uns die Superlative für die roten Linien aus"

Klein kritisierte mit Blick auf Antisemitismusvorwürfe bei der diesjährigen documenta fifteen in Kassel "auch in der Hochkultur" eine "erneute Verschiebung der Grenzen dessen, was sagbar und zeigbar ist". Die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Tahera Ameer, sagte: "Langsam gehen uns die Superlative für die roten Linien aus." Das sei "kein gutes Zeichen für den Stand der Antisemitismus-Bekämpfung".

Lehren aus der Documenta

Einen "sich androhenden Paradigmenwechsel in Kunst und Wissenschaft" sah der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Mark Dainow. Er warnte vor "Dämonisierung, Delegitimierung und doppelten Standards" als Hinweiszeichen für beginnenden Antisemitismus. Es gelte "Lehren zu ziehen" aus den Erfahrungen der documenta. Jüdische Stimmen und Bedenken seien «nicht gehört und nicht ernst genommen" worden. "Was zu sehen war, übertraf unsere kühnsten Alpträume", so Dainow. Er kritisierte erneut die Vergabe von Gastprofessuren an der Hamburger Kunsthochschule an zwei Kuratoriums-Mitglieder der documenta aus dem Künstler-Kollektiv Ruangrupa.

Stichwort documenta

Die documenta ist eine der weltweit bedeutendsten Ausstellungsreihen zeitgenössischer Kunst. Alle fünf Jahre kommen Kunstschaffende ins nordhessische Kassel, um die Stadt 100 Tage lang in ein Panorama für Gegenwartskunst zu verwandeln. Die Ausstellung ist seit ihrer Gründung 1955 zum wichtigen Ort für Debatten über Kunst und Kultur geworden.

Eine kompostierbare Toilette steht zur documenta fifteen in der Karlsaue und ist Teil der Zusammenarbeit der Gruppe Cinema Caravan mit Takashi Kuribayashi. Die Weltkunstausstellung geht vom 18.06. bis 25.09.2022. / © Uwe Zucchi (dpa)
Eine kompostierbare Toilette steht zur documenta fifteen in der Karlsaue und ist Teil der Zusammenarbeit der Gruppe Cinema Caravan mit Takashi Kuribayashi. Die Weltkunstausstellung geht vom 18.06. bis 25.09.2022. / © Uwe Zucchi ( dpa )
Quelle:
KNA