Die Waffen mögen wenigstens an Weihnachten ein paar Tage ruhen, damit die Menschen an der Wiege der Christenheit die Geburt Christi friedlich feiern können: Diesen Wunsch formulierten die lateinischen Katholiken von Taibeh, einem christlichen palästinensischen Dorf unweit von Ramallah. Einen "Weihnachtsfrieden" gab es selbst in den beiden Weltkriegen.
Aber auch wenn die Waffen an der Nordgrenze zum Libanon in einem wackeligen Abkommen vorerst ruhen: Im Gazastreifen gehen die Kämpfe unvermindert weiter. Das Heilige Land steht vor dem zweiten Weihnachtsfest im Krieg, einem drohenden Bürgerkrieg im Libanon und der Gefahr islamistischen Terrors in Syrien.
Kriegsbedingt bleiben dem Heiligen Land die Besucher fern. In Israel brachen die Zahlen seit Jahresbeginn um 75 Prozent ein, wie ein Vertreter des Tourismusministeriums der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte. Kirchliche Stellen bestätigen die Zahlen. Dabei seien nicht nur Sicherheitsfragen und Reisewarnungen der Grund. Mangelnde Angebote an Flügen und horrende Preise hielten selbst reisewillige Pilger ab. Die finanziellen Folgen für alle, die direkt oder indirekt vom Tourismus leben – darunter viele einheimische Christen und Betreiber christlicher Gästehäuser – sind dramatisch.
Arbeitslosigkeit ist gewachsen
Vor allem in den besetzten palästinensischen Gebieten sind die wirtschaftlichen Auswirkungen kaum zu stemmen. Viele Palästinenser, die innerhalb Israels arbeiteten, verloren ihre Genehmigungen. Der Tourismus, vor allem für das christlicher Dreieck Bethlehem, Beit Sahur und Beit Dschallah ein wichtiger Wirtschaftszweig, brach völlig zusammen. Kirchen und christliche Einrichtungen reagierten mit Unterstützung für die Bevölkerung. Die Nachfrage nach dem Sozialdienst sei deutlich gestiegen, berichtete etwas das Caritas Baby Hospital in Bethlehem, das der existenziellen Notlage vieler Menschen mit Übernahme von Behandlungskosten und Rabatten begegnet.
Das Pilgern sei mittlerweile vollkommen sicher und wichtig für das Land und seine Gesellschaft, warb der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa, zuletzt wiederholt für eine Normalisierung des Pilgertourismus.
Auch die kriegsbetroffenen Nachbarländer blicken auf ein schwieriges Jahr zurück. Die große Sorge nach dem Waffenstillstand zwischen Israel und dem Libanon sei nun, dass die Hisbollah verbliebene Waffen im eigenen Land einsetzen könnte, sagte Michel Constantin, Regionaldirektor der "Päpstliche Mission" für Libanon, Syrien, Irak und Ägypten, der KNA. Und warnt vor der Gefahr eines erneuten Bürgerkrieges.
Was wird aus Syrien?
In Teilen Syriens sind unterdessen Dschihadisten auf dem Vormarsch. Metropolen wie Aleppo und Hama seien bereits unter ihrer Kontrolle, heißt es in Berichten. Im nordsyrischen Aleppo wurde bei den Kämpfen eine Einrichtung der Franziskaner getroffen, die Versorgungslage drohe sich zu verschlechtern. Der katholische Bischof vor Ort, Franziskanerpater Hanna Jallouf, gab unterdessen teilweise Entwarnung. Die islamistischen Rebellen hätten den Kirchenführern zugesichert, weiterhin Gottesdienste und religiöse Feiern abhalten zu dürfen.
Kirchen und kirchliche Einrichtungen haben in allen betroffenen Ländern der Region eine aktive Rolle bei der Unterstützung der notleidenden Zivilbevölkerung übernommen. In Zusammenarbeit mit dem Malteserorden und der örtlichen Caritas lieferte das Lateinische Patriarch von Jerusalem tonnenweise Nahrungsmittel in den Gazastreifen - humanitäre Hilfe, die nicht nur den wenigen hundert verbliebenen Christen zugutekam. In Gaza und dem Libanon öffneten kirchliche Einrichtungen ihre Tore, um Binnenvertriebenen Schutz zu bieten, und auch in Aleppo helfen die Franziskaner mit einer Suppenküche und der Verteilung von Brot.
Anfeindungen gegen Christen
Gleichzeitig hat sich das Klima gegen Christen vor allem in Jerusalem verschärft. Beobachter dokumentierten eine Zunahme an Anfeindungen durch radikale Juden. Auch der interreligiöse Dialog fiel dem Krieg zum Opfer. Zwar gibt es weiterhin Graswurzelinitiativen, die an der Forderung nach "Frieden, Gleichheit und Gerechtigkeit für alle Menschen zwischen dem Fluss und dem See" festhalten. Auf offizieller Ebene aber ist der Dialog vor allem mit jüdischen Vertretern in einer tiefen Krise. Nicht zuletzt Aussagen der Heiliglandkirchen zum Krieg in Gaza sorgten für Unmut.
Insgesamt mache der Nahe Osten enorme gesellschaftliche und politische Konflikte durch, die alle Menschen der Region betreffen, so Pizzaballa. Dass die Christen dabei besonders unter Druck stünden, zeige nicht zuletzt die hohe Zahl der Abwanderungen. Ihr Bleiben an der Wiege der Christenheit werde davon abhängen, ob es eine politische Perspektive gebe, die gleichzeitig zur religiös-konfessionell geprägten Mentalität der Region passe. Bislang fehle allerdings eine Ausstiegsstrategie. Eine Verbesserung der Lage bleibe damit fragwürdig.