Ein internationales Friedenskonzert will ein Zeichen setzen

Gemeinsam für Frieden singen

Es ist ein geistliches Oratorium als Zeichen für Hoffnung. Frank Martins Werk "In terra pax" erklang erstmals 1945 zum Ende des Krieges. Jetzt singen Chöre aus Europa das Oratorium in Köln erneut. Kann das dem Frieden helfen?

Autor/in:
Mathias Peter
Chorgesang (Symbolbild) / © Monkey Business Images (shutterstock)
Chorgesang (Symbolbild) / © Monkey Business Images ( shutterstock )

Es war die Vorahnung, dass der Krieg bald ein Ende finden würde. Der Schweizer Komponist Frank Martin erhielt bereits 1944 vom Rundfunk seiner Heimat den Auftrag, ein Werk zum Ende Zweiten Weltkriegs zu schreiben. Dem kam er nach und wählte für das Oratorium biblische Texte aus, zitierte aus Psalmen, den Evangelien und der Offenbarung des Johannes.

Martin stammte aus einer calvinistischen Pfarrersfamilie, für ihn war vor allem die Hoffnung auf Frieden entscheidend: "Das bedeutete dann, dass ich in den Worten Christi die absolute Forderung nach Vergebung – wie sie in seiner Lehre enthalten ist – aussage, ohne die ein wirklicher Friede unfassbar ist."

Innenraum der Kölner Philharmonie / © Matthias Baus
Innenraum der Kölner Philharmonie / © Matthias Baus

Das vierteilige Kurzoratorium "In terra pax" steht nun im Zentrum des gleichnamigen Konzertes in der Kölner Philharmonie am Sonntag in einer Woche. Dirigent Michael Reif glaubt, dass das Werk gut in die Zeit passt, angesichts des Krieges gegen die Ukraine. 

Der erste Teil der Oratoriums sei musikalisch sehr dunkel gehalten, erinnere so an die Schrecken des Krieges. Dann aber gebe es einen Wendepunkt. "Da erklingt das Vaterunser als Gebet der Ewigkeit; das alte Zeitalter des Krieges wird aufgelöst hin zu einer prophetischen Vorausnahme, dass einer kommen wird, der die Schuld tragen wird. Dann folgt eine Vision, die am Ende des Stückes steht. Und das ist interessanterweise eine Vision von einer neuen Erde und eines neuen Himmels." 

Michael Reif / © Europäischer Kammerchor
Michael Reif / © Europäischer Kammerchor

Um die Brücke ins Heute zu schlagen, erklingt in der Philharmonie zunächst die Uraufführung des kanadisch-estnischen Komponisten Riho Esko Maimets. Auch das Werk ringt um Frieden mit dem Titel "Da pacem" – "Gib Frieden!". 

Michael Reif leitet mehrere Chöre, die an der Aufführung beteiligt sind. Etwa den europäischen Kammerchor oder die Kölner Kurrende. Doch besonders wichtig für das Konzert ist der Austausch mit Estland. Denn wie die anderen baltischen Staaten, ist für Estland der Krieg Russlands gegen die Ukraine deutlich näher und bedrohlicher. 

Blick auf Tallinn / © Kirk Fisher (shutterstock)

Der Estonian Youth Mixed Choir kommt ab Montag nach Köln und wird gemeinsam mit den anderen Chören und dem Osnabrücker Symphonieorchester das Konzert gestalten. Dabei ist Reif wichtig, dass die Sängerinnen und Sänger sich gut kennenlernen: "Wir sind über einen Studenten, der in Tallinn studiert hat und der den Chor damals gehört hatte, auf den Chor gekommen und haben bei denen angefragt, ob sie diesen Austausch mitmachen wollen."

Die Sänger im Alter von 16 bis 26 wollten sehr gern und lernen nun Köln und auch den Kölner Dom kennen. Aber Köln bekommt nicht nur das Konzert in der Philharmonie von ihnen mitgestaltet, sondern am Mittwoch singt der Jugendchor ein Konzert in Sankt Severin ab 20 Uhr mit rein baltischer Chormusik. 

Kölner Philharmonie vor dem Kölner Dom / © manfredxy (shutterstock)
Kölner Philharmonie vor dem Kölner Dom / © manfredxy ( shutterstock )

Das Konzert in der Philharmonie wird dann durch den Choral "Verleih uns Frieden" von Felix Mendelssohn Bartholdy abgerundet. Dreimal also der musikalische Wunsch nach Frieden. Doch kann Musik die Welt wirklich zumindest ein bisschen friedlicher machen? 

Michael Reif glaubt auf jeden Fall an die Kraft der Musik, die die Menschen verändern kann: "Das weiß man, wenn man Musik macht und wenn man auch singt in der Gemeinschaft, da wird etwas mit den Menschen passieren, da wird eine Nähe entstehen, die vielleicht im normalen Leben gar nicht erklärlich ist."

Völkerverständigung durch die Musik – für die Ausführenden wird das sicher gelingen, meint der Kölner Dirigent. "Wenn wir für mehr Frieden sind in der Welt, wenn wir für mehr Austausch in der Welt sind, damit eben Frieden sein kann und Kriege verhindert werden können, dann müssen wir einfach gute Kontakte haben. Und vielleicht müssen wir auch einfach ein offenes Ohr für die anderen haben."

Frieden durch Austausch, durch gegenseitiges Kennenlernen: Auch Frank Martin war ein Grenzgänger, nicht nur in der Musik. In Köln wirkte er über Jahre als Professor für Komposition an der Musikhochschule. Seine Messe für Doppelchor erklingt regelmäßig im Gottesdienst oder im Konzert im Kölner Dom. Dass 50 Jahre nach seinem Tod sein Oratorium "In terra pax" als Friedensbotschaft in der benachbarten Philharmonie aufgeführt wird, dürfte sicher ganz in seinem Sinne sein.

Das komplette Interview mit dem Chorleiter und Dirigenten Michael Reif wird am Sonntagabend im Radioprogramm von DOMRADIO.DE in voller Länge ab 20 Uhr ausgestrahlt.

Quelle:
DR