So steht es zu Ostern um die Digitalisierung in der Kirche

Ein Jahr nach dem ersten Lockdown

2020 fielen bundesweit Ostergottesdienste wegen der Pandemie aus. In der Folge setzte auch in den Kirchen ein Digitalisierungsschub ein. Es gibt aber immer noch viel Spielraum nach oben, sagt ein Theologe.

Autor/in:
Anita Hirschbeck
Live-Übertragung / © Harald Oppitz (KNA)
Live-Übertragung / © Harald Oppitz ( KNA )

Fast ganz alleine steht Papst Franziskus im mächtigen Petersdom und spricht den Ostersegen "Urbi et orbi". Noch wenige Wochen vor dem 12. April 2020 wäre solch eine Szene unvorstellbar gewesen. Wegen der Corona-Pandemie fehlten zu Ostern im vergangenen Jahr aber auf der ganzen Welt in Tausenden von Kirchen die Gläubigen, die sonst gemeinsam das wichtigste Fest der Christenheit feiern.

Ganz auf den Ostergottesdienst verzichten mussten viele Menschen dennoch nicht. In Deutschland stellten in kürzester Zeit zahlreiche Gemeinden Live-Streams auf ihren Internetseiten und in den Sozialen Netzwerken auf die Beine. Entsprechend sprunghaft stiegen die Klickzahlen an. DOMRADIO.DE verzeichnete ab April 2020 durchschnittlich fünf Mal höhere Zugriffszahlen als 2019. Das Niveau habe sich bis heute gehalten, erklärte DOMRADIO.DE. Demnach schauen jeweils rund 15.000 Menschen online die Sonntagsmesse aus dem Kölner Dom.

"Reduktion auf die Pfarrer-Figur"

Von einem Digitalisierungsschub spricht die Nürnberger evangelische Theologin und Medienwissenschaftlerin Johanna Haberer. In den ersten Monaten der Pandemie beobachtete sie allerdings eine "Reduktion auf die Pfarrer-Figur": Anfangs sei oft nur der Priester oder die Pfarrerin vor der Kamera beim Gottesdienst-Feiern zu sehen gewesen. Nach und nach seien die Streams professioneller und die Stimmen wieder vielfältiger geworden. Etwa seit Weihnachten kämen zum Beispiel Lektoren vermehrt zu Wort.

In den vergangenen zwölf Monaten haben die Gemeinden laut Haberer eine Lernkurve mitgemacht. Ob der Schritt ins Digitale jedoch nachhaltig sein wird, stellt der Frankfurter katholische Pastoraltheologe Wolfgang Beck in Frage. Der Wissenschaftler untersucht als Mitglied einer ökumenischen Forschungsgruppe unter der Überschrift "Contoc - Churches Online in Times of Corona" Online-Entwicklungen in der Kirche.

"Ressentiment gegenüber digitalen Arbeitsweisen"

Erste Ergebnisse der bislang unveröffentlichten Studie klingen ernüchternd. Ein größerer Anteil von Mitarbeitenden vor allem in katholischen Pfarreien habe wenig Unterstützung aus den Bistümern erhalten, wenn es um Online-Ideen ging, sagt Beck. Zudem gebe es vielerorts in der Kirche oft "ein Ressentiment gegenüber digitalen Arbeitsweisen, die als weniger real oder als weniger wertvoll betrachtet werden wie persönliche Begegnungen".

Insgesamt beschäftige sich die katholische Kirche zu sehr mit der Frage, ob die Handlungen in einem Gottesdienst "gültig" seien, wenn dieser "nur" online gefeiert würde, warnt Beck. Hier wünscht er sich einen Perspektivwechsel. Die Feier des Sonntagsgottesdienstes soll vor allem den Menschen bestärken. Ein gut gemachter Online-Gottesdienst schaffe das manchmal besser als ein schlecht gemachter Präsenzgottesdienst, so der Theologe.

Förderung eines digitalen Kirchorts

Auch für die Zukunft sieht Beck Leerstellen in der kirchlichen Online-Strategie. Viele Bistümer arbeiteten derzeit an Strukturreformen und Großpfarreien; die Förderung eines digitalen Kirchorts innerhalb einer neuen Großpfarrei sei bislang aber nicht angedacht. "Das scheint mir ein Indiz dafür zu sein, dass in den Diözesen immer noch eine Fokussierung auf Gemeinden rund um Kirchtürme besteht."

Die Digitalisierung wird nicht mehr verschwinden - darin sind sich Experten wie Kirchenvertreter einig. Mittlerweile sei ein Stand erreicht, "hinter den wir nicht zurückkönnen", stellte etwa der Sprecher der katholischen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, kürzlich fest. Pastoraltheologe Beck rät dazu, das Analoge und Virtuelle nicht immer nur als zwei Gegensätze zu sehen. Längst würden viele Kommunikationsangebote beides miteinander verbinden.

Auch für Medienwissenschaftlerin Haberer stehen Offline- und Online-Formate in Ergänzung zueinander. Die Technologie könne bestehende Beziehungen verfestigen, sagt sie. Für den ersten Kontakt mit dem Glauben brauche es aber nach wie vor die persönliche Begegnung - in Gottesdiensten, Jugendfreizeiten oder Chören.


Quelle:
KNA