Pflegebeauftragter der Bundesregierung schlägt Alarm

Ein klares Signal für die Pflege gefordert

Die Corona-Krise als Wendepunkt? Die Pflegekräfte hatten gehofft, dass ihre Bedeutung für das Gesundheitswesen deutlich geworden ist. Doch der Pflegebeauftragte der Bundesregierung schlägt Alarm. Und fordert ein Signal.

Autor/in:
Christoph Arens
Altenpflege in Corona-Zeiten / © Olena Yakobchuk (shutterstock)
Altenpflege in Corona-Zeiten / © Olena Yakobchuk ( shutterstock )

Die Pflegebranche als Pflegefall: Jahrelang haben Pflegekräfte in Kliniken und Altenpflege vergeblich um mehr Anerkennung und bessere Arbeitsbedingungen gekämpft. Erst in der Corona-Krise bescheinigen ihnen Politik und Gesellschaft, dass sie "systemrelevant" sind: die 1,5 Millionen Pflegekräfte in Deutschland.

Doch jetzt schlägt der Pflegebeauftragte der Bundesregierung Alarm. "Wenn es jetzt nicht ein klares Signal gibt, dass sich etwas ändert an Tarifen und Löhnen sowie an den Arbeitsbedingungen, können wir nach der Pandemie in die Situation kommen, dass wir nicht über zusätzliche Auszubildende sprechen, sondern über eine weitere Abwanderung von Personal. Das wäre fatal", sagte Andreas Westerfellhaus der "Rheinischen Post" (Montag).

Der Frust ist zurückgekehrt

Nach seinen Worten ist bei vielen der Frust zurückgekehrt. "Schon jetzt gibt es sehr großes Unverständnis, dass aus der Anerkennung bisher zu wenige nachhaltige Taten erwachsen." Er nehme eine Stimmung wahr, wonach viele Pflegekräfte in der Corona-Zeit noch durchhalten wollten und sich dann einen anderen Job suchen würden.

Ähnlich hat das neulich auch Christel Bienstein formuliert, die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK). Die Krise habe auf dramatische Weise Prioritäten verändert und die Schwachstellen im Gesundheitswesen offengelegt, erklärte sie. "Die jetzt als systemrelevant gelobten professionell Pflegenden werden sich nicht länger mit prekären Arbeitsverträgen, mäßigen Arbeitsbedingungen, chronischer Überlastung, unterdurchschnittlicher Vergütung und grundsätzlichen Entscheidungen ohne ihre Beteiligung zufriedengeben", betonte sie Mitte Mai.

Aufwertung des Berufs

Es geht um die Aufwertung eines Berufs, der in der alternden Gesellschaft immer mehr an Bedeutung gewinnt, jedoch zuletzt vor allem durch Negativmeldungen wie wachsende Personalnot, Zeitdruck, hohe körperliche Belastungen, steigende Pflegekosten und Mängel in Heimen und ambulanten Diensten auf sich aufmerksam machte. Konkret gefordert werden eine bessere Bezahlung, eine verlässliche Personalbemessung, die Modernisierung der Ausbildung und eine veränderte Aufgabenverteilung in den Gesundheitsberufen.

Schon vor der Corona-Krise hatte die Politik Reformen gestartet, um den Pflegeberuf aufzuwerten. 2019 hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beispielsweise eine Verordnung auf den Weg gebracht, die Untergrenzen beim Pflegepersonal in bestimmten Krankenhausbereichen festschreibt - eine Regelung, die angesichts von Corona zeitweise wieder einkassiert wurde. Ein höherer Mindestlohn für Pflegeberufe ist beschlossene Sache. Gegen heftige Widerstände privater Arbeitgeber kämpfen Spahn und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auch für einen bundesweiten Tarifvertrag in der Branche.

Klares Signal gefordert

"Wir sind bei vielen Themen in der Umsetzungsphase", sagt der Präsident des Deutschen Pflegerates, Franz Wagner. "Ich habe aber das Gefühl, dass wir uns - nach langen Jahren der Stagnation - noch immer im Krisenmodus befinden und Mängel beseitigen müssen." Für die Pflegekräfte sei ein klares Signal notwendig, dass es bald zu konkreten Verbesserungen komme. Sie brauchten die Perspektive, dass ihr Dienstplan bald wieder verlässlich ist, es freie Wochenenden und bessere Bezahlung gibt.

Schützenhilfe haben die Pflegeverbände im Februar durch eine Allianz von drei großen deutschen Stiftungen erhalten. Die Robert Bosch Stiftung, die Bertelsmann Stiftung und die Stiftung Münch sprachen sich für einen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik aus.
Professionell Pflegende müssten ärztliche Aufgaben übernehmen dürfen; ihre berufliche Selbstverwaltung müsse gestärkt werden. Zudem müsse die Akademisierung des Berufs vorangetrieben werden - Forderungen die Westerfellhaus am Montag ebenfalls erhob.

"Die Realität zeigt, dass das Bild 'Pflege kann jeder' gefährlich ist und nicht gegen den Fachkräftemangel hilft", erklärten die Stiftungen. Deutschland leiste sich eine sehr gute Breitenmedizin, eine wettbewerbsfähige Spitzenmedizin und zugleich einen Dauerpflegenotstand. "Nur wenn die Attraktivität des Berufsbildes steigt, werden wir langfristig genügend Personal gewinnen können", hieß es.


Quelle:
KNA