Der Jesuit Franz Magnis-Suseno ist seit vielen Jahren aufmerksamer Beobachter der Lage in Indonesien. Im Mittelpunkt aktuell sind dabei sicher die Spannungen zwischen einem radikaler werdenden Islam und der christlichen Minderheit wie auch der Konflikt zwischen den Verteidigern der säkularen Republik und den Wortführern eines angestrebten Gottesstaates. Am 26. Mai feiert der deutschstämmige Jesuit, der schon über ein halbes Jahrhundert im bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt lebt, seinen 85. Geburtstag.
Als beim Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) für diese Geschichte sein Smartphone muckt, entfährt dem hochgewachsenen Mann mit dem schlohweißen Haar ein herzhaftes "Sch...". "Ich denke immer noch auf Deutsch", sagt Magnis-Suseno, der tief in die Kultur des Landes eingetaucht ist und besonders die Verhältnisse auf der Insel Java genau kennt. "Ich habe zunächst Javanisch und danach erst die Landessprache Bahasa Indonesia gelernt." Java ist die bevölkerungsreichste Insel Indonesiens; seine Kultur ist zum Verdruss vieler Indonesier aus anderen Landesteilen für Politik und Gesellschaft prägend.
Neben Theologie auch den Marxismus studiert
Magnis-Suseno hat in Pullach bei München neben Theologie den Marxismus studiert. "Ich hatte eigentlich nicht vor, in die Mission zu gehen. Deutschland brauchte aber keinen weiteren jesuitischen Marxismusexperten. Indonesien hingegen hatte damals eine starke kommunistische Partei, und so dachte ich mir, der Kirche dort könnte es nützen, wenn sie einen Kommunismus-Experten in ihren Reihen hat", erzählt er selbstbewusst. So kam er 1961 nach Indonesien und wurde kurze Zeit später im Herbst 1965 nach dem Putsch von General Suharto Zeuge der blutigen Kommunistenverfolgungen.
Seine Doktorarbeit über das Denken des jungen Karl Marx schrieb der in Indonesien auch als "Marxismusmann" bekannte Magnis-Suseno Anfang der 70er Jahre in München und begann nach seiner Rückkehr nach Indonesien seine bis heute andauernde Lehrtätigkeit an der philosophischen Hochschule Driyarkara in Jakarta. Lange Jahre war er auch Rektor der von Jesuiten, Franziskanern und der Erzdiözese Jakarta gegründeten Hochschule.
Er tauschte den Adelstitel gegen javanischen Nachnamen ein
Als Franz Graf von Magnis im heute polnischen Eckersdorf (damals Provinz Niederschlesien) geboren, legte er mit Annahme der indonesischen Staatsbürgerschaft seinen Adelstitel ab und wählte den javanischen Namen Suseno. "Ich habe erst später erfahren, dass der Name im Sanskrit 'etwas Gutes tun' bedeutet."
Gutes tun zieht sich als roter Faden durch das Leben und Wirken des Streiters für soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und religiöse Toleranz, der stets die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) hochhielt. Prinzipien, die auch anderen Mitgliedern der Magnis-Familie nicht fremd waren, etwa seiner Tante Gabriele "Meme" von Magnis, die in der Nazizeit im Auftrag des Breslauer Kardinals Adolf Bertram katholische "Nichtarier" betreute und auch Juden half.
Förderer des Dialogs zwischen Muslimen und Christen
Die javanische Kultur und Ethik, die von Verständnis für die jeweilige konkrete Lebenssituationen und dem Bestreben geprägt ist, bei Konflikten einen Kompromiss zu finden, hat den Jesuiten von Anfang an fasziniert. "Die Javaner haben Respekt vor anderen Religionen. Sie sind der Meinung, man muss der Religion folgen, die man fühlt", sagt der Autor des Buches "Javanische Weisheit und Ethik: Studien zu einer östlichen Moral".
In seinem 2015 erschienen Buch "Garuda im Aufwind: Das moderne Indonesien" beschreibt der indonesische Politikberater und Förderer des Dialogs zwischen Muslimen und Christen die turbulenten Jahre nach dem Sturz von Diktator Suharto 1998 und den schwierigen Balanceakt der drittgrößten Demokratie der Welt zwischen Tradition und Moderne im Kontext seiner Geschichte und Kultur. Der ursprünglich aus der indischen Mythologie stammende Garuda ist das Wappentier des Landes und ein Hinweis auf den Hinduismus, der vor dem Islam die dominierende Religion auf Java war.
Seinen 85. Geburtstag will Jubilar Magnis-Suseno am liebsten ruhig und bescheiden feiern. "Wahrscheinlich werde ich mit ein paar Mitbrüdern und Freunden Nudeln essen und ein Bier trinken."
Von Michael Lenz