Nein, es sind keine frohen Ostern im Vatikan. Der Papst und sein Gefolge verbringen die Feiertage wie im ersten Corona-Jahr im Seuchenschutz-Modus. Und das, obwohl der Kleinstaat im Vergleich zu anderen Ländern Europas ein vorbildliches Krisenmanagement betrieben hat. Franziskus selbst und fast alle Bediensteten sind dank eines wohlkoordinierten Impfprogramms längst immunisiert. Man könnte also zum Gedenken an Tod und Auferstehung Jesu etwas mutiger sein als zu Beginn der Pandemie.
Aber das Kirchenoberhaupt kann schwerlich von seiner Linie der staatenübergreifenden Solidarität abweichen. Seit Monaten predigt er, dass die Menschheit das Virus nur durch mehr "Geschwisterlichkeit" besiegen könne. Im Oktober widmete er dem Thema eigens die Enzyklika "Fratelli tutti". Nun zeigt sich, dass auch Solidarität ihren Preis hat.
Feier im kleinen Rahmen
Aus Rücksicht auf Italien sind im Vatikan abermals keine opulenten Osterfeierlichkeiten vorgesehen. Wegen nach wie vor hoher Infektionszahlen gelten im Bel Paese wie zu Ostern 2020 zahlreiche Restriktionen und Ausgangssperren. Franziskus trägt die Regeln weiterhin mit. Alle Zeremonien zum höchsten Fest der Christenheit wurden zurechtgestutzt und coronagerecht gemacht. Nur wenige ausgewählte Gäste sind zugelassen, alle anderen rund 1,3 Milliarden Katholiken weltweit können ihr Oberhaupt derzeit lediglich im Fernsehen oder per Livestream sehen.
Dabei sind nach einem Jahr des liturgischen Ausnahmezustands Abnutzungserscheinungen erkennbar. Besondere Akzente, mit denen der Papst zu Krisenbeginn vielen Menschen Hoffnung spendete, fallen zusehends schwerer. Als er am 27. März 2020 auf dem leeren Petersplatz einsam um ein Ende der Pandemie betete, bewegten diese Bilder Millionen. Doch eine solch historische Geste lässt sich nicht wiederholen.
Zeichen der Ermüdung
Die Pandemie ist auch an Franziskus nicht spurlos vorübergezogen, er wirkt angefasst und erschöpft. Immer wieder sieht man ihn in diesen Tagen mit gesenktem Haupt und müdem Blick. Dem Menschenfischer fehlt spürbar der unmittelbare Kontakt zu den einfachen Gläubigen.
Gut zu beobachten war das beim abendlichen Kreuzweg des Karfreitag. Die üblicherweise vor dem Kolosseum stattfindende Andacht, sonst ein stimmungsvoller Höhepunkt der römischen Osterfeiern, fand wieder auf dem abgesperrten Petersplatz statt. Der 84-Jährige harrte angestrengt mit großem Abstand auf einem Sessel inmitten des Platzes aus. Eine Kindergruppe vollzog währenddessen die 14 Stationen des Leidensweges Christi nach.
Zum Schluss der Zeremonie gegen 22 Uhr verzichtete der Papst auf eine ihm zugedachte Ansprache und wandte sich lieber den Kindern zu. Trotz seiner Gehprobleme kam er schnurstracks auf sie zu, schüttelte Hände, tätschelte Köpfe. Für einen kurzen coronafreien Moment - so schien es - war er wieder in seinem Element.
Vatikan bleibt unter sich
Zuvor musste er in der Karwoche meist mit maskierten Geistlichen und Ordensfrauen vorliebnehmen. Bei der Karfreitagsliturgie im Petersdom waren wie zur Chrisammesse am Gründonnerstag vor allem Kardinäle, Bischöfe und andere Würdenträger anwesend. Der Nachfolger Petri hielt sich auffallend zurück. Die Leitung der Messe vom letzten Abendmahl Jesu überließ er - ohne weitere Erklärung - dem Kardinaldekan Giovanni Battista Re.
Doch Franziskus legte keine Ruhepause ein, sondern nutzte den Donnerstagabend überraschend für einen Besuch in der Privatkapelle von Giovanni Angelo Becciu. Der Sarde trat Ende September auf Druck des Papstes von seinem Amt als Präfekt der Heiligsprechungskongregation zurück und verzichtete auf seine Rechte als Kardinal. Hintergrund ist unter anderem die Verwicklung in eine dubiose Immobilienanlage in London. Die Ermittlungen dauern an. Bahnt sich jetzt eine Rehabilitierung an? Der Vatikan machte dazu keinerlei Angaben. Allerdings soll das Treffen dem Vernehmen nach "sehr herzlich" verlaufen sein.
Verwundete Brüderlichkeit
Ein weiteres Ausrufezeichen in seinem unentwegten Kampf um innerkirchliche Einheit ließ Franziskus seinen Hausprediger setzen. Während des Karfreitagsgottesdienstes redete Kardinal Raniero Cantalamessa dem Klerus ungewöhnlich deutlich ins Gewissen. "Die katholische Brüderlichkeit ist verwundet!", sagte der Kapuzinerpater. Die Ursache für gegenwärtige Spaltungstendenzen liege "in politischen Erwägungen, die sich zu Ideologien auswachsen". Dadurch gerieten religiöse und kirchliche Belange zusehends aus dem Blick.
Cantalamessa rief alle Kirchenführer zu einer "ernsthaften Gewissensprüfung" auf. Man stehe vor der Wahl, ob man die Gläubigen auf die jeweils eigene Seite führen wolle - oder auf die von Jesus. Nach froher österlicher Stimmung klingt das alles nicht. Umso gespannter wird erwartet, was der Papst der Welt in seiner Osterbotschaft mit auf den Weg gibt.
Alexander Pitz