"Jesus Christ, you are my life…" Am Ende ist es dann auch noch einmal dieser Hit, bei dem man automatisch mitwippen oder mitklatschen möchte. Der etwas von diesem besonderen Weltjugendtags-Feeling verbreitet, das an keinem anderen Ort so authentisch erlebbar ist wie an diesem. Denn hier auf dem Papsthügel des Marienfeldes in Frechen hat am 21. August vor 14 Jahren Papst Benedikt XVI. mit Jugendlichen aus allen Kontinenten einen weltweit übertragenen Gottesdienst zelebriert und mit seinem Charisma auch die berührt, die sonst eher wenig oder nichts mit Kirche zu tun haben. Bis heute steht diese Stätte, von der aus man einen weiten Blick über die Ebene des Kreisdekanates Rhein-Erft hat und die später zu einem Wallfahrtsziel umgestaltet wurde, für eine lebendige Erinnerung an dieses kirchliche Großereignis, von dem die Menschen – und nicht nur die aus der unmittelbaren Umgebung – noch immer zehren.
"Die Weltjugendtagslieder inspirieren mich bis heute"
Stephanie Aragione-Krey aus Erftstadt-Lechenich ist eine von ihnen. Damals 27, war sie Teil des Projektchores, der sich zum Großteil aus Bonner Theologiestudenten zusammensetzte und in dem sie als frisch examinierte Kirchenmusikerin aus der Region ebenfalls mitsingen durfte. Da die Musikbühne in Blickkontakt zum Altar stand, war sie nah dran am Geschehen. "Bei mir gehen Emotionen immer stark über Musik und Atmosphäre", erzählt sie mit leuchtenden Augen. "Zusammen mit den Erinnerungen, die ich an den Weltjugendtag in Köln habe und speziell an die Erlebnisse hier auf dem Marienfeld, sorgen sie noch heute für Gänsehaut, wenn ich diesen Song höre." Sie verpasst keinen dieser Erinnerungsgottesdienste, die auf Initiative von Kreisdechant Monsignore Achim Brennecke immer rund um den Jahrestag des Papstbesuches begangen werden. Benedikt XVI. ganz aus der Nähe erlebt zu haben, verbucht die heute 41-Jährige als prägende Kraft für sich – auch für ihren Beruf. "Diese WJT-Lieder singen wir bis heute in unserer Gemeinde. Von ihrer Inspiration haben sie nichts eingebüßt", schwärmt sie. "Überhaupt ist in jedem Jahr, wenn ich hier stehe, wieder alles sehr präsent. Ein einmaliges Ereignis. Wer erlebt so etwas denn schon aus nächster Nähe!" Diese spirituelle Intensität, die sie damals gespürt habe, begleite sie bis heute.
An der Marienkapelle zum Gebet einkehren
Auch Renate Kardian aus St. Severin in Frechen läuft es kalt über den Rücken, wie sie sagt, wenn sie diese Musik höre. "Damals strömten ab 10 Uhr morgens die Jugendlichen zu Tausenden durch die Stadt, vorbei an unseren Häusern, zum Marienfeld, um abends mit dem Papst zunächst die Vigil zu feiern und am nächsten Morgen dann die heilige Messe. Diese Bilder und auch diese außergewöhnliche Stimmung sind mir unvergessen." Nach Möglichkeit komme sie in jedem Jahr auf den Hügel. Helga Becker aus St. Ulrich in Buschbell lässt ebenfalls keine dieser Erinnerungsfeiern aus. "Ich liebe Freilichtgottesdienste. Da fühlt man sich wie im Urlaub in den Bergen. Eine tolle Sache", findet sie. Da sei die Witterung zweitrangig. "Wir haben hier auch schon im Regen gesessen." Früher sei sie den langen Weg durch die Felder hier hinauf auf die Höhe sogar bewusst zu Fuß gepilgert, berichtet die 70-Jährige.
Gisela Overwien schützt sich gegen die starke Sonneneinstrahlung an diesem warmen Augusttag mit einem roten Regenschirm. Für die 79-Jährige aus der Pfarrei St. Martinus, Kerpen, ist der Papsthügel ein Gnadenort. Nicht nur wegen der Marienkapelle, vor der auch an diesem Abend immer wieder Menschen niederknien. Mehrmals im Jahr komme sie hierauf und treffe stets Menschen an, die Kummer hätten und reden wollten, sagt sie. Dann höre sie zu. Auch selbst kehre sie oft zum Gebet bei der Kapelle ein. Dabei mache sie dann auch gleich ein wenig Ordnung, erneuere die Blumen und zünde eine Kerze an. "Der Papsthügel ist für mich als Pilgerstätte ein ganz wichtiger Ort. Er muss erhalten bleiben."
Jahrestag der Papstmesse ist für viele ein Jour fixe
Ein bisschen ist es an diesem Abend wie bei einem großen Familientreffen. Viele kennen sich untereinander längst, organisieren sich seit Jahren zum Aufstieg auf den Papsthügel in kleinen Gruppen und haben den Jahrestag der Papstmesse im Kalender immer schon ein Jahr im Voraus stehen. Wie Sabine Lietz und Annegret Klein. Für die beiden Freundinnen aus Niederaußem ist das ein Jour fixe. "Mit dem Fahrrad von der Arbeit direkt hierher – das hat für uns Tradition", sind sie sich einig.
Dass es diesmal noch mehr Besucher als sonst sind, mag auch daran liegen, dass Dr. Friedhelm Hofmann, der emeritierte Würzburger Bischof, als gebürtiger Kölner Seelsorger und langjähriger Weihbischof des Pastoralbezirks Nord immer noch ein gern gesehener Gast im Rhein-Erft-Kreis ist. Eigens zu diesem denkwürdigen Tag als Hauptzelebrant aus Franken angereist ist der mittlerweile 77-Jährige, der vor wenigen Monaten sein Goldenes Priesterjubiläum gefeiert hat und schnell bei seiner Ankunft von dichten Menschentrauben umringt wird. Alle wollen ihm die Hand schütteln, ein persönliches Wort wechseln, an gemeinsame Erinnerungen anknüpfen. Die Wiedersehensfreude ist groß. Auch bei Kreisdechant Brennecke, der mit Hofmann seit der gemeinsamen Zeit in Köln befreundet ist und ihm später mit einem Kreuz, das aus dem Holz des Meter hohen originalen Weltjugendtagkreuzes hergestellt wurde, für seinen Besuch dankt.
"Wir brauchen die Glaubenskraft junger Menschen"
Doch zunächst will auch der Gast aus Würzburg diesen besonderen Ort, dessen Ausstrahlungskraft er mit den Gottesbegegnungen im Sinai-Gebirge und dem heiligen Berg Sion in Jerusalem vergleicht, durch Gedenken lebendig erhalten wissen. "Da möchte man aus Ehrfurcht am liebsten die Schuhe ausziehen", sagt Hofmann wörtlich mit Blick auf das große Kreuz und erinnert: Hier hätten hunderttausende junge Menschen eine Glaubensfreude ausgestrahlt, "die sich besonders hier an diesem Ort bemerkbar machte und die wir heute so dringend brauchen".
Doch der Bischof hat auch eine nachdenklich stimmende Botschaft im Gepäck und zeigt auf, dass – anders, als nach der Aufbruchstimmung des Zweiten Vatikanischen Konzils die Kirche im Lebensalltag der Menschen noch gegenwärtig war – heute am Anfang des 21. Jahrhunderts die Welt gefühlsmäßig kleiner geworden sei. "Die erweiterten Reisemöglichkeiten, Mobiltelefone, das Internet und die Möglichkeit, Nachrichten aus aller Welt und zu jeder Zeit abrufen und auch in unbekannte Wissensgebiete eindringen zu können, macht unsere Erde zu einem ‚global village’." Er warnt davor, mit dieser virtuellen Allwissenheit das bisher Gültige, die Erfahrung und die Prägung durch die Menschheitsgeschichte bis hin zur Heilsgeschichte Gottes auszuhebeln. Eindringlich fragt er: "Wird aber aufgrund der Informationsflut und der kaum zu verarbeitenden Datenmenge die virtuell aufgetischte sogenannte Wirklichkeit dabei nicht immer undurchdringlicher und unüberschaubarer? Ist unser Gehirn – und unser Herz – nicht oft genug mental und emotional überfordert?"
"Es geht um die Besinnung auf Jesus Christus"
Dieser nüchternen Analyse stellt er die Empfehlung entgegen, dem Vorbild der Gottesmutter als Lebensbegleiterin, Trösterin und Fürsprecherin nachzueifern. "Es geht um Offenheit gegenüber Gott und eine stete Bereitwilligkeit zu Umkehr und Besinnung auf Jesus Christus." Und es gehe darum, auf Jesu Hilfe zu bauen. "Nicht der Wohlstand, nicht Nationalismen, nicht Egoismus und Durchsetzungskraft sind Heilmittel, sondern das Stillewerden vor Gott. Nicht im Sinne der Wirtschaft sind perfekte Menschen gefragt, sondern schweigende und hörende Menschen, die sich Zeit nehmen, die Frohe Botschaft wahrzunehmen, und durch die Mitfeier der Sakramente in das Geheimnis unseres Glaubens vordringen." Unser Heil hänge nicht von innerweltlichen Strukturen ab, sondern von der spirituellen Ausrichtung auf Jesus Christus. "Ihn müssen wir anhören, zu Wort kommen lassen und verinnerlichen."