Was ist die Kirchensteuer?
In Deutschland ist die Kirchensteuer eine gesetzlich festgelegte Abgabe der Kirchenmitglieder an ihre Religionsgemeinschaft. Die Höhe legt die Kirchenleitung fest, das jeweilige Landesparlament setzt sie in Kraft. Die Kirchensteuer beträgt in der Regel neun Prozent der
Lohn- oder Einkommensteuer, in Baden-Württemberg und Bayern acht Prozent. Sie wird auch auf Kapitalerträge erhoben. Der Beitrag wird über das staatliche Finanzamt eingezogen und an die Kirchen weitergegeben. Der Staat erhält dafür etwa drei Prozent des gesamten Steueraufkommens.
Seit wann gibt es die Kirchensteuer?
Sie wurde 1919 in der heutigen Form eingeführt und sichert die finanzielle Unabhängigkeit der Kirche vom Staat. Vorher wurde die Kirche als eine öffentliche Angelegenheit betrachtet und in erheblichem Maß durch staatliche Gelder finanziert.
Was machen die Kirchen mit dem Geld?
Sie finanzieren aus den Einnahmen vor allem die laufenden Kosten für ihr Personal in Seelsorge, Verwaltung, Kindergärten, Schulen und sozialen Einrichtungen. Hinzu kommen Gelder für Renten und Pensionen, für Kirchen und andere Gebäude sowie Zahlungen an die Weltkirche - von Abgaben an den Vatikan bis zur Unterstützung von Hilfsprojekten in ärmeren Ländern.
Wer darf Kirchensteuer erheben?
Das Recht, Kirchensteuer nach Maßgabe der Gesetze der Länder zu erheben, steht allen Religionsgemeinschaften offen, die Körperschaften öffentlichen Rechts sind. Dazu gehören neben den 27 katholischen Bistümern und den 20 Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die jüdischen Gemeinden und Religionsgemeinschaften, die alt-katholischen Bistümer und einige freireligiöse Gemeinden.
Wie hoch sind die Steuereinnahmen der Kirchen?
Im Jahr 2022 erhielt die katholische Kirche in Deutschland 6,85 Milliarden Euro Kirchensteuer und die evangelische Kirche 6,24 Milliarden. Im Vergleich zu 2021 mit insgesamt 12,7 Milliarden Euro stieg die Gesamtsumme um gut 3 Prozent auf etwa 13,1 Milliarden Euro - ein neuer Rekordwert.
Warum steigen die Einnahmen trotz der vielen Kirchenaustritte?
2022 gehörten nur noch rund 40,1 Millionen Menschen den beiden Kirchen an - 20,94 Millionen der katholischen und 19,15 Millionen der evangelischen. Ihr Gesamtanteil an der Bevölkerung sank auf 47,5 Prozent. 2021 waren mit 49,5 Prozent erstmals weniger als die Hälfte der Bevölkerung Mitglieder einer der beiden Kirchen.
Noch aber wird diese Negativentwicklung mehr als ausgeglichen durch die wirtschaftliche Gesamtentwicklung mit geringerer Arbeitslosigkeit, steigenden Einkommen und dadurch steigenden Steuereinnahmen. Wenn man allerdings die stark steigenden Preise berücksichtigt, sieht das Bild etwas anders aus: Inflationsbereinigt gingen die Steuereinnahmen der katholischen Kirche leicht zurück - auf knapp 4,7 Milliarden Euro. Das ist der niedrigste Wert seit 2014.
Wie entwickelt sich die Kirchensteuer weiter?
Fachleute gehen davon aus, dass die Austrittszahlen und das zunehmende Alter der Mitglieder schon bald dazu führen, dass die Steuereinnahmen zurückgehen. Eine von den beiden Kirchen im Jahr 2019 veröffentlichte Studie prognostizierte, dass sich die Kaufkraft der Kirchensteuereinnahmen bis 2060 in etwa halbieren werde. Wenn die Analysen zutreffen, werden dann nur noch knapp 30 Prozent der deutschen Bevölkerung einer der großen Kirchen angehören. Inzwischen werden Stimmen lauter, die sogar einen deutlich schnelleren Rückgang prophezeien.
Wer zahlt Kirchensteuer?
Von den 40,1 Millionen Mitgliedern der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland zahlt nur knapp die Hälfte Kirchensteuer. Nach Angaben der Bischofskonferenz kommen rund 37 Prozent der Katholiken für 97 Prozent der Kirchensteuer auf. Kinder und Jugendliche ohne Einkommen, Menschen mit geringer Rente und Arbeitslose zahlen keine
Lohn- und Einkommensteuer und daher auch keine Kirchensteuer. Eine Ausnahme sind mancherorts Allgemeine Kirchgelder; sie werden von Kirchengemeinden erhoben, machen aber nur Kleinstbeträge aus.
Wieso geht die Kirchensteuer nicht direkt an die Gemeinden?
Ein solches System hätte zur Folge, dass eine Kirchengemeinde mit einkommensstärkeren Menschen mehr Geld zur Verfügung hätte als eine Gemeinde, in der viele Arbeitslose und Geringverdiener wohnen. Die Verwaltung der Kirchensteuer durch ein Bistum nach Vorgaben des Kirchensteuerrates garantiert jeder Gemeinde eine angemessene Grundausstattung, unabhängig vom Kirchensteueraufkommen in ihrem Bereich.
Welche Alternativen gibt es international zur Kirchensteuer?
In Österreich, der deutschsprachigen Schweiz sowie in Schweden, Finnland und Dänemark bestehen ähnliche Kirchensteuersysteme. In den USA, Frankreich, Portugal, Irland und den Niederlanden gibt es Spenden- und Kollektensysteme. Steuerliche Lösungen haben zwar auch Italien, Spanien, Ungarn und andere Staaten; diese sind jedoch fundamental anders als in Deutschland.