Ein Pilgerprojekt bewegt Demenzerkrankte

Betroffene und Angehörige auf dem Jakobsweg

Etwa 1,6 Millionen Menschen in Deutschland sind von Demenz betroffen. Das Malteser-Projekt "Pilgern trotzDEMenz" zeigt: Sie in Aktivitäten einzubeziehen ist möglich, wenn der Wille dazu da ist.

Autor/in:
Magdalena Thiele
Symbolbild Demenz / © Patrick Pleul (dpa)
Symbolbild Demenz / © Patrick Pleul ( dpa )

Er leide doch gar nicht, entgegnet Herr Adelhütte angesprochen auf sein vermeintliches Leiden - die Demenz. Seit etwa einem Jahr bringt ihn seine Frau bereits in die Malteser Tagespflege.

Und heute begleitet sie ihn auf dem kleinen Stück Jakobsweg. Die fünfköpfige Pilgergruppe, angeführt von Sozialarbeiterin Martina Watzlaw und Hündin Momo, läuft an diesem nasskaltem Münchner Vormittag von der idyllisch in einem kleinen Waldstück gelegenen Kirche Sankt Anna in Harlaching bis zur Kirche Sankt Jakob in Pullach - das sind rund acht Kilometer, also eine dreistündige Wanderung. 

Für Martina Watzlaw ein Katzensprung. Die passionierte Wanderin läuft sonst längere Strecken. "Bis in die französische Schweiz habe ich es von München aus geschafft", erzählt sie stolz.

Tiefes Durchatmen in der Natur

Auf dieser Strecke versucht sie sich an einer neuen Herausforderung. Mit der Aktion "Pilgern trotzDEMenz" will sie Erkrankten und ihren Angehörigen ein tiefes Durchatmen in der Natur ermöglichen. "Die Bewegung an der frischen Luft und die Umweltreize tun uns allen gut - und Menschen mit einer Demenzerkrankung besonders.", weiß Watzlaw. 

Seit elf Jahren schon leitet sie die Fachstelle für pflegende Angehörige der Malteser in München.

Martina Watzlaw (l.), Leiterin der Fachstelle für pflegende Angehörige des Malteser Hilfsdienstes München mit Hündin Momo und Marion Mauer Diesch, Leiterin der Seniorenpastoral im Dekanat München Südost, am 15. Juni 2024 in München. / © Magdalena Thiele (KNA)
Martina Watzlaw (l.), Leiterin der Fachstelle für pflegende Angehörige des Malteser Hilfsdienstes München mit Hündin Momo und Marion Mauer Diesch, Leiterin der Seniorenpastoral im Dekanat München Südost, am 15. Juni 2024 in München. / © Magdalena Thiele ( KNA )

"Wandern, tanzen oder auch bergsteigen - das sind Dinge, die Demenzkranke ohne Weiteres noch können. Gerade, wenn sie vor der Diagnose regelmäßig sportlich aktiv waren", erklärt sie. "Der Unterschied zu vorher ist, dass sie Begleitung brauchen. Und dafür muss sich jemand Zeit nehmen".

So richtig ausgesucht hat sich die Münchnerin ihre Aufgabe nicht. "Mein Großvater hatte auch eine vaskuläre Demenz und wir haben ihn zuhause betreut. Ich bin da einfach hineingewachsen", erzählt sie. Einfühlungsvermögen und Geduld brauche es für diese Aufgabe und beides hat sie anscheinend in ausreichendem Masse.

Angehörige können abschalten

Was es sonst braucht auf so einer Wanderung mit speziellen Bedürfnissen erklärt Marion Mauer-Diesch, Leiterin der
Seniorenpastoral im Dekanat München Südost: "Natürlich können wir keine langen Strecken gehen. Auch haben wir darauf geachtet, dass wir entlang einer Tramstrecke laufen, falls jemand nicht den ganzen Weg schafft."

Auch Mauer-Diesch kennt die schwierige Situation, in der sich Angehörige oft befinden. "Oft geht eine Demenz gerade bei Jüngeren mit einer Persönlichkeitsveränderung einher", berichtet sie. "Es kann für die Familie oder andere nahe stehenden Personen sehr schwierig sein, damit umzugehen." 

Das Pilgerangebot biete auch den Angehörigen eine gute Möglichkeit, abzuschalten und die Natur zu genießen oder sich mit anderen auszutauschen.

Alzheimer häufigste Form der Demenz

Laut aktuellen Statistiken des Robert Koch-Instituts leiden in Deutschland etwa 1,6 Millionen Menschen an Demenz, wobei die
Alzheimer-Krankheit die häufigste Form darstellt. Die Demenzerkrankung betrifft vor allem ältere Menschen. Grundsätzlich steigt das Risiko einer Erkrankung mit zunehmendem Alter an.

Angesichts der alternden Bevölkerung sei es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Menschen mit Demenz ein würdevolles
und aktives Leben zu ermöglichen, sagt Marion Mauer-Diesch. Das Projekt "Pilgern trotzDEMenz" in München leiste einen Beitrag dazu.

"Beim gemeinsamen Pilgern entstehen ganz andere Gespräche als im Pflegeheim oder zuhause", bestätigt Martina Watzlaw. Hier würde sogar Herr Adelhütte über seine Alzheimer-Diagnose reden. 

Das passiere ihm sonst nie, sagt sie und schmunzelt. Auch deshalb ist sie sich sicher, dass das Pilotprojekt bald nicht nur mehr Anklang findet, sondern auch generell dazu ermutigt, Menschen mit Demenz in Aktivitäten einzubeziehen.

Quelle:
KNA