25 Jahre Demokratie in Südafrika

Ein Schatten über der Regenbogennation

​Nur wenige Tage vor den Parlamentswahlen begeht Südafrika den 25. Jahrestag seit Ende der weißen Herrschaft. Und dennoch ist Rassismus erneut ein großes Thema in Nelson Mandelas "Regenbogennation". Was sind die Ursachen?

Autor/in:
Markus Schönherr
Rassentrennung in Südafrika / © KNA (KNA)
Rassentrennung in Südafrika / © KNA ( KNA )

"Wir sind beunruhigt über die zunehmende ethnische Polarisierung. Politische Parteien nutzen unverhohlen rassistische Tendenzen aus" - Sorge schwang in der Stimme von Erzbischof Desmond Tutu mit, als er 1994, kurz nach Anbruch der Demokratie in Südafrika, über die Spannungen im Land sprach. Ein Vierteljahrhundert später sind seine Bedenken wieder aktuell.

Am 27. April feiert Südafrika den 25. Jahrestag der ersten demokratischen Wahlen. Der Urnengang, der Nelson Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten machte, gilt als offizielles Ende der Apartheid. Seitdem ist die Bilanz gemischt, was Versöhnung und Entwicklung angeht.

Millionen Südafrikanern hat der demokratische Wandel Strom, fließend Wasser und Sozialleistungen gebracht. Es herrscht Redefreiheit, die Justiz arbeitet unabhängig. Auf dem Kontinent gilt Südafrika als eines der fortschrittlichsten Länder.

Noch immer keimt der Rassismus

Was die Versöhnung betrifft, kann sich Nelson Mandelas Regenbogennation durchaus als Vielvölkerstaat finden - allerdings mit besorgniserregenden Rückschlägen. So sorgten in den vergangenen Jahren wiederholt rassistische Vorfälle für Schlagzeilen. Zu Jahresbeginn herrschte nationale Empörung, nachdem eine Schule die Schüler am ersten Schultag offenbar nach Hautfarbe trennte.

Bildungsexperten überraschte dies nicht: Südafrikas Schulen seien nach wie vor Brutstätten von Rassismus.

Extremisten stochern dort herum, wo es schmerzt - das ist in Südafrika immer noch die Beziehung zwischen den einzelnen Volksgruppen. Die Provinz Nordkap, rissige Erdstraßen, roter Staub: Hier soll 25 Jahre nach Einzug der Demokratie "Eureka" entstehen, eine Siedlung, ausschließlich für weiße Südafrikaner. Jedem, der mit ihm gegen die "Entwurzelung der weißen Rasse kämpft", verspricht Gründer Adriaan Nieuwoudt ein Grundstück auf seinem Land.

Doch auch Politiker sorgen für Aufsehen, wie etwa der Anführer der Wirtschaftlichen Freiheitskämpfer (EFF), Julius Malema. Nachdem der Chef der zweitgrößten Oppositionspartei in der Vergangenheit forderte, "Buren zu erschießen", wetterte er nun auch gegen Südafrikas indische Minderheit.

"Tradition Mandelas aufgegeben"

Der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) versucht sich in seiner traditionellen Rolle als Versöhner - nur glauben wollen ihm immer weniger Südafrikaner. "Unsere Regierung hat die großartige Tradition aufgegeben, Versöhnung zwischen den Volksgruppen zu fördern, wie Nelson Mandela es tat", bemängelte vor kurzem Alt-Präsident und Nobelpreisträger Frederik Willem de Klerk. Er kritisiert, auch der ANC trage zu den ethnischen Spannungen bei.

Vergangenes Jahr etwa sprach sich das Parlament, in dem der ANC die große Mehrheit stellt, für Landenteignungen ohne Entschädigung aus, um sich des Erbe von Kolonialismus und Apartheid zu entledigen.

Tatsächlich scheint die Mandela-Partei derzeit sehr mit sich selbst beschäftigt. Zu einer Arbeitslosigkeit von 27 Prozent, der Energiekrise und einer bröckelnden Wirtschaft kommen die Korruptionsskandale der vergangenen Jahre hinzu. Ex-Präsident Jacob Zuma, seine Geschäftspartner, Minister und führende Beamte sollen Südafrikas Staatsunternehmen um Millionen betrogen haben.

Parlamentswahlen folgen im Mai 

Elf Tage stehen zwischen dem Demokratie-Jubiläum und den Parlamentswahlen am 8. Mai. Einige Beobachter sagen dem ANC trotz der Bestechungsskandale einen Sieg mit über 60 Prozent voraus. Das liegt zum einen daran, dass es an glaubhaften Alternativen fehlt. Zum anderen spielt er eine zentrale Rolle: Cyril Ramaphosa.

Der Unternehmer und ehemalige Gewerkschaftsführer übernahm vor einem Jahr den Scherbenhaufen seines Vorgängers und versprach den Südafrikanern einen "Neubeginn".

Die Drahtzieher der Vetternwirtschaft wollte er ins "Gefängnis" bringen. Und bei einem symbolischen Besuch einer Weinfarm Mitte April, einem traditionell weißen Sektor, rief er die Farmer zum Zusammenhalt auf.

An Zeichen mangelt es nicht. Die bringen Südafrika auf seinem Pfad der Entwicklung aber nicht voran, solange Ramaphosa sich nicht vom korrupten Teil der ANC-Elite lossagt, meinen Politologen.

Der renommierte Menschenrechtsanwalt Barney Pityana warnt: "Südafrika hat seinen moralischen Kompass verloren. Greifen wir jetzt nicht zu drastischen Mitteln, wird unsere Zukunft übel".


Quelle:
KNA