Gewalt gegen Weiße in Südafrika nimmt zu

"Tötet ihr einen, töten wir fünf"

​Aufrufe zu Gewalt, Landbesetzungen und Rassismus - wohin steuert Südafrika? Die Regenbogennation droht von Populisten zerrissen zu werden. Gibt es noch Hoffnung auf den Traum Nelson Mandelas?

Autor/in:
Markus Schönherr
Nelson Mandela / © N.N. (KNA)
Nelson Mandela / © N.N. ( KNA )

"Töten ihr einen von uns, töten wir fünf von euch" - mit dieser Aussage schockierte der radikale Bürgeraktivist Andile Mngxitama jetzt eine ganze Nation. Erneut sorgt in Südafrika eine Reihe von Vorfällen für Aufregung und Unmut. Getroffen hat es diesmal die weiße Bevölkerung.

Beobachter sehen das Versöhnungsprojekt gefährdet, das mit der Wahl Nelson Mandelas zum ersten demokratischen Präsidenten begann - und 24 Jahre später immer noch nicht abgeschlossen ist.

"Wenig Raum für Interpretationen"

Jetzt ermittelt Südafrikas Menschenrechtskommission (SAHRC). Zwar behauptet Mngxitama, der umstrittene Anführer der Bewegung Black First Land First (BLF), er habe nur den "Aufruf zur Gewalt" seitens weißer Südafrikaner erwidert. Jedoch ließ die Rede an seine Anhänger wenig Raum für Interpretation: "Wir werden ihre Frauen, ihre Kinder, ihre Hunde und Katzen töten. Wir werden alles töten, das uns in die Quere kommt."

Nächstes Jahr will Mngxitama mit seiner BLF bei den Parlamentswahlen antreten. Seine Gegner wollen das verhindern. Doch auch dafür hat Mngxitama schon einen Plan. Er will in den Untergrund gehen und den "bewaffneten Kampf" aufnehmen, sollte ihn Südafrikas Wahlkommission wegen seiner Gesinnung vom Rennen ausschließen.

Ethnische Zughörigkeit weiter wichtig

1994 begann in Südafrika mit dem Ende der Apartheid eine neue politische Zeitrechnung. Die Verfassung gilt als eine der fortschrittlichsten weltweit, auf dem Kontinent gilt das Land als Hoffnungsträger. Allerdings orientieren sich Wohlstand und Reichtum teils immer noch stark entlang ethnischer Zugehörigkeit. Das heizt die politische Stimmung auf und führt regelmäßig zu Rassismus-Skandalen im Vielvölkerstaat. Schwarz und Weiß werden gleichermaßen Opfer wie Inder oder sogenannte "Coloureds".

Für Aufsehen sorgte diese Woche auch der Ausnahmekünstler Ayanda Mabulu. In der Vergangenheit ließ der 37-Jährige in seinen Bildern Nelson Mandela die Hand zum Hitlergruß heben und porträtierte Ex-Präsident Jacob Zuma als Vergewaltiger. Nun schockierte er mit einer Kunstinstallation vor der Johannesburger Börse: Nazi-Flaggen und Schweineschädel mit Geldscheinen in der Schnauze. "Jeder weiße Rassist ist so dreckig wie dieses Schwein", erklärte Mabulu. Die Inszenierung endete für ihn in der Arrestzelle.

Aufruf zur Landbesetzung

Zur selben Zeit, nur einige Kilometer von dem Spektakel entfernt, musste sich Südafrikas Oppositionsführer Julius Malema in Pretoria vor dem Obersten Gerichtshof verantworten. Auch ihm werfen seine Gegner vor, die Stimmung zwischen den Volksgruppen aufzuheizen. Malema hatte seine Wirtschaftlichen Freiheitskämpfer (EFF) wiederholt aufgerufen, Land zu besetzen und darauf Häuser zu errichten.

Ausgerechnet zu der Zeit, in der Südafrikas Parlament per Gesetz die entschädigungslose Enteignung von Boden durchsetzen will, soll ein Urteil fallen. Der Staatsanwalt ist der Meinung, Malema habe seine Anhänger "zum Gesetzesbruch angestiftet" - das werde zu "Anarchie" führen. Malema hingegen sieht sich als Opfer der Apartheid-Gesetze. Sein Anklagepunkt sei "fester Bestandteil" der Regeln gewesen, durch die sich das rassistische Regime vor 1994 an der Macht gehalten habe.

Politische Lager rücken zusammen

Südafrikas Gesellschaft droht erneut die Spaltung durch Populisten. Doch es gibt Hoffnung. Denn ausgerechnet Andile Mngxitamas Aufruf zur Tötung Weißer hat die politischen Lager jetzt wieder enger zusammenrücken lassen. Der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) verurteilte den "Versuch, uns in die dunklen Tage der Apartheid zurückzuversetzen". Wie die oppositionelle und immer noch stark weiß geprägte Demokratische Allianz (DA) forderte der ANC eine Klage gegen den Aktivisten.

Unterdessen haben auch andere Akteure bewiesen, dass Mandelas Traum noch nicht tot ist: Lachen, eine Umarmung und ein Händedruck zwischen dem Oppositionspolitiker Mosiuoa Lekota und dem Sänger Steve Hofmeyr - der eine schwarzer Anführer einer sozialdemokratischen Partei, der andere ein burisch-konservativer Nationalist. Gemeinsam erstatteten sie nun Anzeige gegen Mngxitama und seinen Tötungsaufruf. Ihre Weltanschauungen seien grundverschieden, räumte Hofmeyr ein. "Aber wir diskutieren darüber lieber gemeinsam beim Barbecue."


Quelle:
KNA