DOMRADIO.DE: Wie geht es Ihnen einen Tag nachdem Sie und Ihre Frau einen öffentlichen Segen in einer katholischen Kirche erhalten haben?
Karin Hörstmann (Teilnehmerin am Segnungsgottesdienst in der Kirche Christi Auferstehung in Köln-Lindenthal): Uns geht es sehr, sehr gut. Das wirkt auf jeden Fall noch sehr nach bei uns. Und ich erhalte viele, viele positive Reaktionen dazu von Freunden und Bekannten, zum Beispiel über Facebook. Es war einfach ein unglaublich schöner Moment, auch als homosexuelles Paar mit vielen anderen Paaren und Personen, die sich dem verbunden gefühlt haben, dazusitzen, den Segen zu bekommen und zu spüren: "Die Liebe gewinnt" und einfach viel stärker sichtbar zu sein in einem katholischen Gottesdienst. Das war ja bisher, wenn überhaupt, nur heimlich oder gar nicht möglich.
Wir sind nochmal ein Stück näher Richtung Sichtbarkeit in der katholischen Kirche gerückt. Das war einfach schön und es wirkt unglaublich gut nach. Ich bekomme das Grinsen auch noch nicht so ganz aus dem Gesicht heraus. Das betrifft aber wie gesagt nicht nur mich, sondern auch meine Partnerin, Freunde und Bekannte, die sich wahnsinnig mitfreuen und sagen: Wunderbar, was für ein Mut der Pfarrgemeinde, das so initiiert zu haben. Genauso wie bei vielen anderen Gottesdiensten, die ja heute oder auch gestern schon gelaufen sind. Einfach toll.
Nochmal: Es stellt das in den Mittelpunkt, worum es geht: "Die Liebe gewinnt". Und da gehören wir genauso zu wie viele andere Lebenskonzepte auch. Ich glaube, dass der liebe Gott keinen ausgrenzt und dass das gestern auch allumfassend sehr deutlich geworden ist. Das war einfach toll.
DOMRADIO.DE: Ihre Geschichte geht so, dass Sie und Ihre Frau Britta schon viele Jahre standesamtlich miteinander eingetragen verpartnert sind und nicht mehr von einer richtigen kirchlichen Hochzeit träumen müssen. Sie sind nämlich eigentlich schon kirchlich getraut, jedenfalls wenn man das als Grauzone betrachtet.
Hörstmann: Genau. Wir haben immer schon jemanden finden wollen, der uns einen kirchlichen Segen spendet oder uns traut. Das war gar nicht so einfach. Wir haben letztendlich einen damals schon suspendierten katholischen Priester gefunden, der das auch gemacht hat. Unter dem Motto: Lieber heimlich schlau als unheimlich dumm. Das war ein bisschen auch das Motto unseres Gottesdienstes; sehr, sehr schön in einem Münsterländer Restaurant mit unseren lieben Gästen, der Familie und Freunden.
Deshalb haben wir es gestern vor allem genossen, einfach sichtbarer zu sein mit vielen anderen und das gemeinsam gefeiert zu haben. Man kann ja eigentlich nicht genug Segen kriegen. Das hat gestern unglaublich gut getan und ist einfach ein wichtiges Zeichen gewesen, dass wir auch nochmal setzen wollten und auch nochmal spüren wollten mit allen zusammen. Das war toll.
DOMRADIO.DE: Sie sind ja sehr katholisch sozialisiert. Denken Sie oft darüber nach: Unterscheide ich da jetzt zwischen Amtskirche und dem, was ich tagtäglich erlebe, auch in meiner Gemeinde?
Hörstmann: Das Nachdenken und damit Hadern ist lange passiert nach meinem Coming out, weil ich die ausgrenzenden Äußerungen aus der Glaubenskongregation ja auch gehört habe und ich mich dann immer so ein bisschen wie eine Katholikin zweiter Klasse gefühlt habe. Das war schon verletzend.
Jetzt sind wir eben an einem Punkt - ich engagiere mich ja auch für Maria 2.0, - dass wir sagen: Wir finden schon Wege, wo wir auch unser Katholisch-Sein richtig leben können. Von daher ist das schon ein wichtiger Punkt. Meine Frau sagt immer: Du bist ein Herdentier.
Das hat mich schon viele Jahre beschäftigt, zu wissen, dass wir eigentlich irgendwie so ganz offiziell nicht mit dazugehören. Sich erstmal davon zu emanzipieren und trotzdem wieder einen Weg zur Gemeinde zu finden, das war nicht so ganz leicht. Aber mittlerweile bin ich an einem Punkt, wo das ganz gut geht.
DOMRADIO.DE: Warum genau war das jetzt für Ihre Frau und Sie so wichtig, an dieser Segnung teilzunehmen und das auch öffentlich zu machen?
Hörstmann: Dass der liebe Gott uns so annimmt, wie wir sind und unser Lebensentwurf völlig in Ordnung ist, habe ich immer schon gespürt. Aber gemeinsam im Gottesdienst diesen Segen empfangen zu haben, das ist irgendwie nochmal ein wichtiges Signal gewesen, zu wissen, dass auch wir vollumfänglich als Paar von Gott geliebt und sichtbar in der Kirche unseren Platz haben dürfen.
DOMRADIO.DE: Wir haben jetzt viele Regenbogenflaggen an vielen Kirchen hängen. Vor zehn Jahren wäre das sicher undenkbar gewesen, dass auch konservative Pfarreien solche Flaggen hissen. Was macht das mit Ihnen, wenn Sie das heute sehen?
Hörstmann: Ich merke auch, dass sich in den letzten zehn Jahren eine Menge getan hat. Man bekommt das ja mit, wie viel Reaktionen kommen und wie viele Menschen sich mittlerweile im Kern einer Gemeinde auch klar positionieren und sagen: Es kann nicht sein, dass Homosexuelle oder auch andere, die einen anderen Lebensentwurf haben, ausgeschlossen werden. Da hat sich eine Menge getan. Ich würde sagen, es ist ein ziemlich großer Anteil derjenigen, die auch aktiv in der Kirche sind, die sich auch so positionieren. Das ist mein persönlicher Eindruck.
Es zeigt einfach, dass sich da gesellschaftlich auch etwas verändert und dass es wichtig ist, dass die Lebenswirklichkeit unterschiedlicher Lebenskonzepte in der katholischen Kirche ankommt. Mit "Die Liebe gewinnt" ist ja in drei Worten ganz einfach formuliert, worauf es auch bei Jesus ankommt, dass nämlich die Botschaft Jesu ist: Keiner ist aufgeschlossen, keiner ausgegrenzt, moralisch verurteilt. Sondern alle, die auch in aufrichtiger Liebe miteinander umgehen, haben auch ihre Berechtigung in der Kirche. Da hat sich, glaube ich, ganz viel verändert und die Katholiken werden da auch ein Stück mündiger.
Da wächst manchmal auch so ein kleiner pastoraler Ungehorsam. Es haben sich ja auch viele Geistliche positioniert. Finde ich ganz toll. Das ist eine Bewegung, die ja immer größer wird. Und ich freue mich natürlich sehr darüber, dass sich mit Blick auf mein Verständnis von Katholizismus - allumfassend, dass alle ihren Platz haben - wirklich jetzt etwas beginnt zu verändern.
DOMRADIO.DE: Pfarrvikar Ulrich Hinzen hat in seiner Predigt in Köln-Lindenthal gesagt, dass sich die Sprache der katholischen Kirche über Liebe und Sexualität auch werde ändern müssen. Hatten Sie denn eigentlich Gelegenheit, mit den anderen, die gestern dabei waren, im Anschluss zusammen zu stehen und diese Predigt und alles, was geschehen ist, zu diskutieren und zu besprechen?
Hörstmann: Das ist ja leider in Corona-Zeiten etwas schwierig und da haben wir uns auch an die Regeln gehalten, dass wir das in der Form nicht gemacht haben. Wir werden das auf jeden Fall nachholen. Ich fand die mutigen Worte von Pfarrer Hinzen wahnsinnig beeindruckend. Vor allem, weil er wirklich mal ein positives Bild in die Zukunft gemalt hat, von einer Vision, wie katholische Kirche sich auch positiv verändern wird: Dass sie eben nicht immer mehr Mitglieder verliert, sondern auch weiter als Gemeinschaft bestehen kann, wo alle ihren Platz finden.
Jede Impfung und jede Veränderung in der Hinsicht, dass das alles wieder möglich sein wird, wird uns in paar Wochen noch dazu führen, dass wir uns intensiv über diese doch sehr bewegenden Worte und auch diesen bewegenden Gottesdienst noch weiter austauschen können. Mal gucken, was sich daraus noch weiter entwickeln wird.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.