DOMRADIO.DE: Sie von Sant'Egidio setzen sich seit langem für die weltweite Ächtung der Todesstrafe ein und hatten auch einen entsprechenden Appell an Newsoms Amtsvorgänger gerichtet. Wie beurteilen Sie jetzt diesen Schritt?
Pfarrer Matthias Leineweber (Gemeinschaft Sant'Egidio): Wir hatten gehofft, dass noch der Amtsvorgänger die Todesurteile aussetzt. Das hat er dann nicht getan.
Aber ich denke, dies hat den neuen Gouverneur Gavin Newsom auch angeregt, sich gleich am Anfang seiner Amtszeit - seit dem 1. Januar ist er im Amt - mit diesem Thema zu beschäftigen. Er hat einen katholisch geprägten Hintergrund und setzt sich deshalb sehr für das Leben ein. Wir sind natürlich sehr glücklich, dass dieser Erfolg jetzt so schnell erreicht wurde und unser Appell erhört wurde.
DOMRADIO.DE: Jetzt muss man dazu wissen, dass nirgendwo auf der Welt so viele Kandidaten in der Todeszelle sitzen, wie in Kalifornien. Es sind 737. Da bekommt der jetzt vollzogene Schritt noch eine besondere Bedeutung, oder?
Leineweber: Ja. Das ist nicht nur ein Signal in den Vereinigten Staaten, sondern ein weltweites Zeichen, dass so eine große Zahl von Todesurteilen jetzt nicht mehr vollstreckt wird.
Es beinhaltet auch eine große Hoffnung, weil es verschiedene Staaten und auch Bundesstaaten in den USA gibt, die bezüglich des Umgangs mit der Todesstrafe ins Schwanken geraten. Teilweise haben sie schon ein Moratorium verhängt und sind auf dem Weg, die Todesstrafe abzuschaffen. Das betrifft auch Staaten, in denen Republikaner regieren. Das ist natürlich eine große Ermutigung, wenn ein so wichtiger Bundesstaat wie Kalifornien da vorangeht.
DOMRADIO.DE: Gavin Newsom begründet sein Handeln auch mit seinen irisch-katholischen Wurzeln und seiner jesuitischen Erziehung. Ist das auch eine Bestätigung für Ihr Engagement als Katholiken?
Leineweber: Ganz klar. Die katholische Kirche insgesamt hat sich ja auch in den letzten Jahren immer mehr von der Todesstrafe distanziert und sie immer mehr als unvereinbar mit den Glaubensvorstellungen angesehen. Ich denke, der Höhepunkt war die Entscheidung von Papst Franziskus, den Katechismus der katholischen Kirche in der Weise zu ändern, dass die Todesstrafe für die katholische Kirche nicht mehr als zulässig angesehen wird.
Das ist vielleicht auch für einen Menschen, der einen katholischen Hintergrund hat, natürlich nochmal eine große Unterstützung, wenn er weiß, dass auch die katholische Kirche insgesamt mit dem Papst ganz entschieden gegen die Todesstrafe ist.
DOMRADIO.DE: US-Präsident Trump findet den Vorstoß aus Kalifornien gar nicht gut. Sie haben gerade schon gesagt, dass Sie auf eine Signalkraft dieser Aussetzung der Todesstrafe in Kalifornien auch auf andere Bundesstaaten hoffen. Auch darüber hinaus? Auch weltweit?
Leineweber: Ich denke schon. Es gibt vor allen Dingen in Afrika eine zunehmende Tendenz in den letzten Jahren, dass Länder die Todesstrafe abgeschafft haben. Letztes Jahr erst Burkina Faso.
Ich denke, es ist auch ein Signal der Ermutigung, dass es trotz Präsidenten, die nicht besonders für Veränderungen in dieser Hinsicht stehen, möglich ist, auf anderer Ebene voranzugehen und Werte wie das Leben zu schützen und mehr Menschlichkeit und Humanität durchzusetzen. Ich glaube, das ermutigt alle diejenigen, die sich dafür einsetzen.
DOMRADIO.DE: Warum passt die Todesstrafe absolut nicht zum christlichen Menschenbild?
Leineweber: Das Leben ist unantastbar und das Leben liegt in Gottes Hand. Von daher kann ein Mensch einfach nicht darüber verfügen, selbst wenn jemand schlimmste Vergehen begangen hat. Das ist christliche Überzeugung und dafür stehen wir als Katholiken auch ein.
Das Interview führte Hilde Regeniter.